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„Körper und Seele waren völlig zerbrechlich!“

09.01.2022, 07:00 Uhr in News

MILTENBERG (jm).Der Schönheitswahn in unserer Welt ist gerade durch die sozialen Medien unaufhaltsam. Scheinbar perfekte Vorbilder geben jungen Menschen vor, wie sie auszusehen haben. Die Folge ist allerdings ein gefährlicher Trend: In Deutschland gibt es derzeit rund 11.000 vollstationär behandelte Fälle von Essstörungen. Auch Alexandra Madelaine Walther aus Miltenberg erkrankte mit 19 Jahren an Magersucht. In PrimaSonntag berichtet sie von ihrem tiefen Fall und wie sie heute versucht, anderen Menschen zu helfen.

„Früher habe ich recht unbewusst gelebt“, erzählt Alexandra Madelaine Walther. „Ich habe mir nicht viele Gedanken um meine Zukunft gemacht!“ Als sie 19 Jahre alt ist, ändert sich das schlagartig: Es ist eine Zeit, in der die junge Frau mehrere persönliche Lebenskrisen durchmacht. „Eines Nachts habe ich mich im Spiegel betrachtet und zu mir selbst gesagt: So geht es nicht weiter!“, berichtet die mittlerweile 28-Jährige. „Ich hatte keine Freude mehr an meinem vorherigen Leben und wollte mich ändern.“ Ab da verspürt die Miltenbergerin keinen Appetit mehr, rührt teilweise über Tage kein Essen an. Zudem betreibt sie täglich extrem viel Sport. „Vor der Arbeit, in der Mittagspause und auch nach Feierabend“, erinnert sich die gelernte Industriekauffrau. „Ich habe schnell richtig krass abgenommen.“ Regelmäßig geht sie hungrig zu Bett - für gesunde Menschen undenkbar, für Alexandra jedoch Alltag. Sie greift zu Kopfschmerztabletten gegen das Hungergefühl. „Ich habe zudem oft Abführmittel genommen.“ Die Miltenbergerin nimmt kaum mehr am sozialen Leben teil, eine Tablette folgt auf die andere. Spätestens jetzt ist klar: Alexandra ist mager- und tablettensüchtig.

Tiefer Fall

An ihrem Tiefpunkt wiegt sie nur noch 45 Kilogramm bei einer Größe von 1,80 Meter. „Ich war nicht mehr ich selbst“, erinnert sich Alexandra. Recht schnell bemerkt sie die Nebenwirkungen ihrer Extrem-Diät. Denn: Durch den Nahrungsmangel fehlen dem Körper wichtige Nährstoffe - auch die Organe funktionieren nur eingeschränkt. Bei der Miltenbergerin bleibt für eine sehr lange Zeit die Periode aus, Haarverlust und Hautausschläge kennzeichnen ihre Krankheit. Auch psychisch bleiben die Konsequenzen nicht aus. „Ich war körperlich total zerbrechlich und auch ständig gereizt.“ Das entgeht natürlich auch nicht ihrem Umfeld, aus dem sie sich mehr und mehr zurückzieht. Schließlich sorgen ihre Eltern für den Wendepunkt. „Sie haben mich vor die Wahl gestellt: Entweder ich gehe in eine Klinik oder ich bleibe zuhause und meine Eltern helfen mir dabei“. Alexandra beschließt den Weg mit ihren Eltern zu gehen. „Es ist unglaublich schwer da rauszukommen. Man muss es selber wollen“, weiß die junge Frau.

„Jeder kann es schaffen“

Ab diesem Zeitpunkt beginnt Alexandra über das Erlebte und ihre Gefühle zu sprechen – sie selbst sagt heute, das habe ihr am allermeisten geholfen. Trotzdem bleibt der Weg aus der Essstörung lang und beschwerlich. Bei der mittlerweile 28-Jährigen dauert es fast sieben Jahre, bis ihr Körper sich vollständig erholt. Heute arbeitet sie als persönliche Assistentin und will anderen Menschen mit ihrer Geschichte helfen. In ihrem Buch „Diese eine Frage“ verarbeitet sie ihre Erfahrungen. Das Feedback ist überwältigend. „Bekannte, aber auch unbekannte Menschen haben mir so viele schöne und aufmunternde Nachrichten geschrieben“, schwärmt die Autorin. Ihr Buch ist mittlerweile auch Teil ihres Coaching, das sie anbietet. Hier will sie Menschen in zehn Schritten aus der Magersucht helfen. „Reden und Öffnen hilft“, rät Alexandra. „Es ist so wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein!“

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet Informationen unter bzga-essstoerungen.de und in Publikationen, die auf der Seite abgerufen werden können. Die Telefonberatung der BZgA ist unter 0221/89 20 31 erreichbar. Vereine mit Online-Beratungen sind unter magersucht.de, hungrig-online.de und anad.de zu finden. Allgemeine Informationen gibt es außerdem auf den Seiten anorexia-nervosa.de und dgk.de.

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Fotos: privat