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Sie erlebten die Hölle!

25.09.2022, 06:00 Uhr in News
KW38 Ukraine 3

HAIBACH (mz). Vor knapp sieben Monaten saßen wir alle fassungslos vor dem Fernseher und sahen, wie in der Ukraine der schlimmste Alptraum seinen Lauf nahm. Mittlerweile hat sich bei einigen in Deutschland eine Kriegsmüdigkeit breit gemacht, die Schicksale der ukrainischen Menschen sind nicht mehr so präsent wie damals. Aber überall wird unermüdlich weitergeholfen, vor allem, um die Geflüchteten zu unterstützen, bei uns Fuß zu fassen. So auch in der Gemeinde Haibach. Hier hat Familie Mbaeri, die wir bei ihrer Abschiebung in die Ukraine und auf der Flucht zurück nach Haibach begleiteten, ihr neues „altes“ Zuhause gefunden. Mutter Irina arbeitet hier als Dolmetscherin in Sprach- und Integrationskursen. Eine Arbeit, die sie immer wieder auch mit dem Schicksal anderer Ukrainer konfrontiert.

Als Bürgermeister Andreas Zenglein vor dem Eingang zum Sprachtraining für die ukrainischen Flüchtlinge wartet, ist ihm der Stolz auf seine Gemeinde ins Gesicht geschrieben. „Wir haben 72 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen - alle privat untergebracht.“ Zenglein liegt das Schicksal der Ukrainer sehr am Herzen. „Insgesamt gibt es vier Sprachkurse in Haibach, 40 bis 45 Personen nehmen daran teil. Wir versuchen alles, um die Menschen bestmöglich zu integrieren.“ Und diese Integrationsarbeit dauert an - länger als ursprünglich vermutet. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so lange braucht. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen, die wieder zurück in ihr Heimatland wollen, das erst nächstes Jahr können.“

Dauerhaftes Bleiberecht
in Aussicht

Zurück in die Ukraine? Das kommt für Familie Mbaeri nicht in Frage. Die Mbaeris haben nach ihrer Rückkehr nach Haibach wieder Fuß gefasst in Deutschland und wollen sich hier eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Mutter Irina unterstützt die Integrationskurse als Dolmetscherin und ist damit eine wichtige Hilfe für viele Menschen aus der Ukraine. „Ich stehe ihnen bei Fragen zur Verfügung, ich übersetze und helfe beim Ausfüllen von Anträgen“, erklärt sie. Doch eigentlich will die gelernte Apothekerin gerne wieder in ihrem Beruf arbeiten - in Deutschland. Und die Chancen stehen gut. Bürgermeister Zenglein steht in Kontakt mit dem Innenministerium und stellt der Familie schon ein dauerhaftes Bleiberecht in Aussicht. „Ich glaube, das gelingt uns!“, zeigt sich Zenglein optimistisch. Es wäre das glückliche Ende eines echten Höllenritts, den Irina mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in den vergangenen Monaten erlebt haben.

22 Kilometer zu Fuß
an die Grenze

Nachdem die Familie bereits 2012 nach Deutschland flüchtete, erfolgte im Winter 2021 plötzlich die Abschiebung zurück in die Ukraine. Nur knappe drei Monate später brach der Krieg los. Für Familie Mbaeri begann die schlimmste Zeit ihres Lebens. Am 25. Februar, einen Tag nach Kriegsbeginn, ergriffen die Mbaeris die Flucht. „Wir haben einen Zug aus Kiew genommen, der war total überfüllt. 16 Stunden haben wir in diesem Zug gestanden, kaum was gegessen.“ Doch damit nicht genug, den restlichen Weg bis zur polnischen Grenze musste die Familie zu Fuß zurücklegen. „Insgesamt 22 Kilometer sind wir gelaufen“, berichtet Irina. „ Immer wieder gab es Sirenen- und Bombenalarm. Mein Mann musste auch noch ins Krankenhaus. Es war die pure Hölle.“ Fünf Tage dauerte die Flucht aus der Ukraine zurück in ihre alte Heimat nach Haibach. „Jetzt ist alles wie früher. Mein Mann hat eine Arbeit gefunden, unsere Kinder gehen in die Schule und fühlen sich dort auch sehr wohl. Wir sind den Menschen, die sich hier in der Gemeinde für uns eingesetzt haben, unendlich dankbar.“ Während ihrer Arbeit als Dolmetscherin wird Irina auch immer wieder mit den Schicksalen anderer ukrainischer Flüchtlinge konfrontiert.

„Wir haben jeden Tag
Bomben gesehen“

So auch das Ehepaar Dorogan. Den beiden Rentnern aus Mariupol gelang erst im Mai die Flucht nach Deutschland. Und auch wenn sie jetzt in Haibach in Sicherheit und Frieden leben, lassen sie die Gedanken an die Kriegserlebnisse nicht los. „Wir hatten kein Licht, kein Gas, zerstörte Häuser überall. Wir haben jeden Tag Bomben gesehen, es war einfach nur schrecklich!“, berichten die beiden. Auch wenn sie sich in Haibach sehr wohl fühlen, steht für die beiden 71-Jährigen fest: „Wir wollen wieder zurück in die Ukraine!“ Wann das möglich ist, kann momentan niemand vorhersagen. Bis dahin besuchen sie einmal in der Woche einen Sprachkurs und nehmen die Hilfe von Irina Mbaeri in Anspruch. Egal wer in Deutschland bleibt oder wieder zurück in die Ukraine geht, in Haibach hält die ukrainische Gemeinschaft zusammen.