"Als würden wir uns schon immer kennen"
+++ Mit 15 Schüleraustausch am Untermain +++ Großes Wiedersehen geplant
ALZENAU/LONDON (mg). Wahre Freundschaften sind schwer zu finden. Aber wenn man mal einen Freund fürs Leben hat, gibt es kaum etwas Wertvolleres. Aber Wege können sich auch mal trennen. So war es auch bei Maurice und Toby. Vor 28 Jahren lernten die beiden sich bei einem Schüleraustausch kennen und verstanden sich auf Anhieb super. Doch die Zeit und die Entfernung machten es nicht einfach - und nach einigen Jahren riss der Kontakt endgültig ab…bis heute.
„Wir waren sofort auf einer Wellenlänge, haben nur Quatsch gemacht und dauernd Ärger bekommen. Es war, als würden wir uns schon immer kennen“, erinnert sich Maurice Swimm an damals. Der gebürtige Alzenauer besuchte die Hohe Landesschule Hanau und nahm 1993 an einem Schüleraustausch in England teil. Zuerst ging es für die Schüler nach Wilmington - einen Ort in der Nähe von London. Kurze Zeit später kamen die britischen Schulkameraden nach Deutschland. Diesmal war ein neuer Junge dabei: Toby. Der 15-Jährige meldete sich an, weil es noch freie Plätze gab. Da er aber kein Deutsch konnte und der Vater von Maurice Amerikaner war, brachte man ihn bei Familie Swimm in Alzenau unter.
Ausflüge in die Kanalisation
„Wir spazierten, redeten stundenlang, erzählten Witze und Geschichten und lachten eigentlich die ganze Zeit“, erzählt Toby. Nach dem offiziellen Besuch kam Toby sogar nochmal zurück und verbrachte Weihnachten in Alzenau.s „Wir spielten Billard in seinem Haus, hörten Musik und sangen (schlecht).“ Er hat Alzenau als eine sehr schöne Stadt in Erinnerung. Neben normalen Sightseeing-Aktivitäten erkundeten die Jungs auch mal die Alzenauer Kanalisation. „Wir haben alte T-Shirts um Stöcke gewickelt und in Benzin getaucht. Mit den Fackeln sind wir dann bei einem Kanalausgang bei uns in der Nähe rein und waren dann mitten unter der Hauptstraße“, so ein schmunzelnder Maurice. Im nächsten Jahr besuchte Maurice auch Toby in England und die beiden erkundeten gemeinsam die Vororte Londons. Nachdem Maurice nach Deutschland zurückkehrte, hatten die beiden immer wieder telefonischen Kontakt. „Mit der Zeit wurde es leider immer weniger - bis es ganz aufhörte“, berichtet Maurice. Heute lebt der 44-jährige Maurice in Würzburg, ist Geschäftsführer einer Softwarefirma, ist verheiratet und hat drei Kinder. Toby, der nur ein paar Wochen jünger ist, lebt mit seiner Frau, zwei Kindern und zwei Hunden in der Stadt Cavan im Norden Irlands und leitet die kommerziellen Geschicke für einen Hersteller in der Badindustrie. „Im Laufe der Jahre habe ich oft an die Zeit zurückgedacht und auch meinen Kindern von ihm und England erzählt - es schien mir unmöglich, einen Toby in London zu finden“, lässt Maurice die letzten Jahre passieren. Aber die Rechnung machte er ohne seinen britischen Kompagnon: „Ich habe schon seit einiger Zeit versucht, Maurice ausfindig zu machen, konnte mich aber nicht an seinen Nachnamen erinnern, was es sehr schwierig machte. Schließlich fand ich die Alzenauer Facebook-Gruppe und der Rest ist Geschichte. Wir haben heute (9. Februar) zum ersten Mal per Videoanruf miteinander gesprochen - das erste Mal seit 28 Jahren!“ Die beiden haben vor, sich in den nächsten Monaten zu besuchen, die letzten Jahre aufzuholen und die Familien des jeweils anderen kennenzulernen. Diese Geschichte zeigt: Egal wie viel Zeit vergeht, egal wie groß die Entfernung sein mag - eine wahre Freundschaft bleibt bestehen.