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„Der große Crash der Kirche steht noch bevor!“

03.04.2022, 06:00 Uhr in News
KW13 Priester 1
Fotos: privat

GOLDBACH (jm). Die Kirche schreibt in den letzten Jahren immer wieder Negativschlagzeilen und gerade in den letzten Monaten ist die Debatte erneut hochgekocht. Die Fälle von Kindesmissbrauch und deren Vertuschung innerhalb der Institution haben für Entsetzen und Wut in der Bevölkerung gesorgt. Auch am Untermain stand zuletzt ein Priester wegen sexuellem Fehlverhalten gegenüber einem Erwachsenen vor Gericht. Die Folge: Die Zahl der Kirchenaustritte explodiert! 2021 verließen 22.232 Menschen die katholische oder evangelische Kirche - ein Rekord, der schon in diesem Jahr erneut gebrochen werden könnte. Philipp Tropf aus Goldbach ist selbst geweihter Priester. Mit PrimaSonntag spricht er über seinen Werdegang und über einen neuen Weg, Glauben ohne Kirche auszuleben.

„Glaube und Kirche kann man trennen“, erzählt Philipp Tropf. Der Bezug zu Gott hat schon seit seiner Kindheit einen zentralen Platz in seinem Leben. „Bei uns zuhause war der katholische Glaube eine Selbstverständlichkeit“, erinnert sich der Goldbacher. Rückblickend prägte ihn dieser gelebte Glaube - mit 25 beginnt er dann sein Theologiestudium. Danach machte er sich mit einer Beratungsfirma selbstständig. „Das lief auch gut, aber ich spürte, dass etwas in meinem Leben fehlte“, erinnert sich Tropf. Knapp zehn Jahre nach seinem Studium trat er sein Priesterseminar an und wurde schließlich zum Priester geweiht. „Den Ruf Gottes hatte ich immer wieder gespürt, und ich stand voll und ganz hinter diesem Weg!“ In der Folge betreute er Gemeinden in der Rhön und im Spessart, zunächst als Diakon und dann als richtiger Priester. Er selbst beschreibt es als eine wunderschöne Zeit. „Ich hatte meinen Beruf gefunden“, schwärmt der Unterfranke. „Ich bin in meiner Berufung aufgegangen.“ Alles schien perfekt. Doch dann passierte etwas, womit Philipp Tropf nicht gerechnet hatte: die Liebe.

Liebe vor Kirche

„Es war nicht irgendeine Beziehung zu einer Frau“, erinnert sich der geweihte Priester. „Ich traf völlig überraschend die Liebe meines Lebens!“ Es begann eine sehr schwierige Phase in seinem Leben, befand er sich doch immer noch in einer priesterlichen Bindung und im Zölibat. „Schließlich haben wir uns für einander entschieden mit allen Konsequenzen, die das mit sich trug“, erzählt Tropf. Das Paar ist mittlerweile verheiratet und lebt in Goldbach. „Heute sind wir sehr glücklich und froh, den Weg gegangen zu sein!“ Gar nicht glücklich über diese Entscheidung war hingegen die Kirche. „Da gab es keinen Verhandlungsspielraum.“ Um ein römisch-katholischer Priester zu sein ist Zölibat Pflicht - der Goldbacher flog sofort raus! „Das ist schon hart, wenn man seinen Beruf gelebt und geliebt hat.“ Philipp Tropf rang mit sich selbst, nur in zwei Dingen ist er sich sicher: Seine Liebe zu Bettina und seine Berufung sind echt! Trotzdem sieht er die Institution Kirche auf einem sehr kritischen Weg. Die Werte des katholischen Glaubens seien an vielen Stellen nicht mehr kombinierbar mit den Taten der Kirche. „Es wird Exklusivität betrieben und Menschen ausgeschlossen“, betont Tropf. „Geschiedene Wiederverheiratete, verheiratete Priester, alle Menschen, die sich mit ihrer sexuellen Orientierung auseinandersetzen, Frauen können die Priesterweihe nicht empfangen. Das sind alles Dinge, die in der heutigen Zeit nicht mehr gehen. Der große Crash steht noch bevor!“

Erneute Kirchenspaltung?

Seinem Glauben treu bleiben wollte der Goldbacher trotzdem und hat seinen eigenen Weg gefunden: Er ist Priester ohne Kirche. „Ich möchte ganz klar betonen, dass ich kein Konkurrenzprodukt einerseits zur Kirche und andererseits für nicht religiöse freie Redner schaffen möchte“, versichert Tropf. „Es gibt gerade jetzt so viele Menschen, die sich mit der Institution Kirche nicht mehr identifizieren können, vielleicht auch ausgetreten sind, trotzdem aber ihren Glauben ausleben möchten.“ Egal ob für Hochzeiten, Beerdigungen, geistliche Begleitung oder einfach zur Seelsorge - Philipp Tropf will für alle da sein, für die es die Kirche nicht mehr ist. „Eine Priesterweihe kann genau wie die Taufe nicht zurückgenommen werden, egal ob man noch Mitglied in der Kirche ist.“ Jeder Mensch, egal welcher Herkunft oder Sexualität, kann sich bei ihm melden. Damit die Menschen wieder in die Kirche vertrauen, müsse eine Modernisierung stattfinden. „Wenn es so weitergeht wie bisher, stehen wir unmittelbar vor einer erneuten Kirchenspaltung“, prophezeit Philipp Tropf. „Die Zeit ist abgelaufen!“

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Philipp Tropf bei seiner Priesterweihe
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Heute ist er glücklich verheiratet.