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Der Kampf gegen den Überfluss!

15.01.2023, 06:30 Uhr in News
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BAYER.UNTERMAIN (mg/mz). Beim Blick auf den Kassenzettel kann es einem derzeit ziemlich schwindlig werden. Vor allem mehrköpfige Familien und ärmere Menschen verzweifeln beim Gang in die Lebensmittelgeschäfte. Die Preise sind im vergangenen Jahr ordentlich in die Höhe geschossen. Gleichzeitig werden aber auch unfassbar viele Lebensmittel weggeschmissen. Eine logische Option für viele: Das so genannte Containern, also entsorgte Ware aus den Tonnen der Supermärkte herausfischen. Aktuell ist das zwar noch strafbar, doch die Bundesregierung bringt ein wenig Bewegung in die Sache…

„Es lagen mehrere hundert Kilogramm Süßigkeiten in den Mülltonnen“, berichtet Hannes* über das krasseste Erlebnis seiner Container-Vergangenheit. Bis 2021 ist der Mann aus Aschaffenburg auf Container-Jagd gegangen. „Wir waren darauf nicht eingestellt und konnten etwa 100 bis 150 kg retten. Den Rest mussten wir leider zurücklassen. In manchen Packungen war die Schokolade leicht angeschmolzen, aber alle Sachen waren noch ohne Probleme genießbar.“ Beim Containern bedienen sich die Menschen an den weggeworfenen Lebensmitteln von Betrieben und Händlern. „Gegen Ende des Tages werden die Waren dort eingesammelt und landen im Müll. Oft sind es verpackte Lebensmittel - zum Beispiel ist eine von mehreren Orangen eingedrückt oder die Verpackung ist eingerissen.“ Am häufigsten findet man Obst oder Gemüse, das kann man abwaschen oder die schlechten Stellen wegschneiden. „Die Mülltonnen werden ja auch täglich gereinigt - die meisten Lebensmittel lagen vor wenigen Stunden ja noch im Laden zum Verkauf aus.“ Laut des Statistischen Bundesamts wurden in Deutschland 2020 ca. 10,9 Mio. Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Auf die privaten Haushalte entfallen 6,5 Mio. Tonnen, also ca. 78 kg pro Kopf. Auch bei Hannes stand vor allem der nachhaltige Gedanke im Vordergrund. „Es gibt auch Leute, die das wegen dem Reiz machen, etwas Verbotenes zu tun.“ Bei ihm war es das ein oder andere Mal knapp: „Einmal wurden wir sogar von Mitarbeitern erwischt.“ Die waren zuerst überrascht, unterhielten sich dann aber mit den „Räubern“. „Denen hat das auch total wehgetan, dass sie immer die Lebensmittel wegwerfen müssen.“ Die Mitarbeiter haben damals beide Augen zugedrückt und sind von dannen gezogen, ohne den Vorfall zu melden.

All das fand Hannes im Abfall von Lebensmittelhändlern

„Sind auf einem guten Weg“

Doch wie sieht es mit Essensverschwendung in unserer Region aus? Tobias Krebs von „foodsharing“ sieht eine positive Entwicklung. „Wir sind auf einem guten Weg. Wir nehmen wahr, dass bereits einige Unternehmen bereit sind, ihre übrigen Lebensmittel an ‚Grenzenlos‘ und die MartinsLäden und damit an bedürftige Menschen zu spenden.“ Der größte Anteil an Lebensmittelverschwendung spielt sich aber weiterhin in privaten Haushalten ab. „Insbesondere hier muss sich das Verhalten der Menschen ändern.“ Der Bedarf an kostenlosen Lebensmitteln ist in der jüngsten Vergangenheit wieder angestiegen. „Wir bekommen immer häufiger Anfragen von Menschen diesbezüglich. Das Interesse an „foodsharing“ ist ganz allgemein in der Vergangenheit gestiegen.“

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Tobias Krebs bei einer Aktion von „foodsharing“

Anstieg an Bedürftigen

Die Lebensmittelpreise sind im letzten Jahr explodiert und viele Menschen können sich ihren Einkauf nicht mehr leisten. Genau da kommen die MartinsLäden in Miltenberg und Erlenbach ins Spiel. „Wir sind selbstständige Tafelläden und kooperieren mit der Sparkasse, dem Caritas-Kreisverband und den christlichen Kirchen vor Ort.“ Dr. Albert Brendle ist erster Vorsitzender vom Kuratorium MartinsLaden. „Durch die Geflüchteten haben sich die Zahlen bei uns in der Woche verdoppelt.“ Ursprünglich hatte man nur 50 Haushalte, mittlerweile sind es 110 pro Woche - insgesamt ca. 300 Personen.“ Die Organisation unterstützt bedürftige Menschen schwerpunktmäßig mit Lebensmitteln, die sind von lokalen Betrieben und Händlern erhalten. „Aufgrund von Corona ist es weniger geworden, aber im Januar haben wir überraschenderweise wieder mehr bekommen“, so Gerhard Schumacher von der Caritas-Sozialstation und des Erlenbacher MartinsLadens.

Dr. Albert Brendle
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Gerhard Schumacher

Ende der Krise
in Sicht?

Die Prognosen deuten darauf hin, dass die Preissteigerungen sich entspannen werden. Gegen die Massenentsorgung der Lebensmittel geht die Bundesregierung aktuell auch vor: Grüne und FDP wollen Containern zum Teil straffrei machen - zur Freude von Hannes: „Wir tun nichts Unrechtes. Das sind Lebensmittel, die mit sehr viel Aufwand produziert worden sind und die keiner mehr haben möchte. Es ist schade, dass man Angst haben muss, dafür bestraft zu werden.“ Dabei sollte man laut ihm aber auch an die Lebensmittelhändler denken: „Beim Containern darf kein Schaden entstehen - man müsste sicherstellen, dass es keinen Mehraufwand für die Betriebe gibt.“ Einen Ort zu finden, der leichter zugänglich ist, für Personen, die die Lebensmittel abholen möchten, wäre laut ihm die optimale Lösung. So würden nicht mehr so viele Lebensmittel weggeschmissen und auch Bedürftige könnten ihre Verpflegung leichter sicherstellen.