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„Die Böden sind knochentrocken!“

31.07.2022, 06:30 Uhr in News
KW30 Wein 2

BAYER. UNTERMAIN (jm). Ein fruchtiger Wein und einfach die Idylle genießen - es klingt traumhaft. Gerade am Untermain prägen die vielen Weinberge das Bild der Landschaft. Unsere Winzer hingegen erleben gerade einen absoluten Albtraum. Trockenheit, fehlendes Personal und erhöhte Auflagen - Trends, die seit Jahren stetig zunehmen. In PrimaSonntag sprechen die Weinbauer über ihre aktuelle Situation.

„Uns fehlt einfach das Wasser. Wir brauchen Niederschläge“, berichtet Jürgen Simon. Gemeinsam mit seiner Frau leitet er das Weingut Jürgen Simon in Alzenau-Wasserlos. Dabei sieht es mit Blick auf den Ertrag im Weinbau dieses Jahr recht gut aus. „Wir hatten einen guten Blütenansatz und die Entwicklung ist schon sehr weit“, erzählt Simon. Große Sorge bereitet ihm allerdings die extreme Trockenheit. „Die Böden sind knochentrocken!“, klagt der Winzer aus Wasserlos. „Die nötige Wasserverfügbarkeit für die Reben ist nicht mehr gewährleistet.“ Gerade bei extremen Wettertemperaturen kann der Weinstock sich und seine Trauben mit dem Wasser schützen. Die Folge: Gerade jetzt nach einer sehr heißen Woche sind viele Trauben kaputt gegangen. Gerade Riesling und Bacchus sind extrem gefährdet. „Diese Sorten haben eine empfindliche Beerenhaut.“ Ein Problem, das bei zunehmender Erderwärmung immer schlimmer wird - die Winzer stehen vor einer ungewissen Zukunft! Jürgen Simon bereitet seine Böden in Form von Begrünung schon seit 15 Jahren auf diese Extremfälle vor. „Wir säen organische Masse ein“, erklärt er. Das sind meistens Pflanzen, die Stickstoff sammeln oder sehr viel Masse bringen. „Im Frühjahr werden die Pflanzen dann umgewalzt und unter diesem Teppich wird Feuchtigkeit gespeichert.“ Bei Weinbergen in Steillagen gestaltet sich das allerdings weitaus schwieriger. Zum einen sind die Temperaturen dort höher als in der Flachen, zum anderen ist durch Erosionen hier eine Begrünung nicht möglich. „Viele aus der Winzerschaft haben Angst, dass wir diese Steillagen in Zukunft verlieren werden, da dort keine Bewirtschaftung mehr möglich sein wird“, fürchtet Simon. „Man würde damit auch einen Teil der Kulturlandschaft verlieren!“

KW30 Wein 2
Jürgen Simon

Katastrophale
Personalsituation

Eben einen solchen Weinberg in Steillage betreibt Jutta Reinhard. Gemeinsam mit ihren Schwestern leitet sie Weinbau Möckl in Klingenberg. „Eine Begrünung ist bei uns nicht empfehlenswert“, bestätigt Reinhard. „Wir beobachten das Wetter und gegebenenfalls bewässern wir punktuell.“ Allerdings nur die jüngeren Stöcke – die Älteren sind teilweise in den 50er Jahren angelegt worden. „Die Wurzeln eines alten Rebstockes wachsen bis zu 10 Meter tief unter die Erde“, berichtet die Klingenbergerin. „Dort gibt es noch Wasserreserven.“ Daher gestaltet sich auch der Einstieg für Neu-Winzer momentan sehr schwierig. „Ein neuer Weinstock muss fast durchgehend bewässert werden“. Die Bewässerung ist ein aufwendiges Unterfangen, das einiges an Personal in Anspruch nimmt. „Wir sind ein Familienbetrieb und können glücklicherweise alles mit eigenen Leuten abdecken“, erzählt Reinhard. „Viele andere Winzer stehen da aber sicher vor großen Problemen.“ Auch Jürgen Simon weiß um den Mangel an Arbeitskräften. „Die Personalsituation ist katastrophal.“ Er vermutet, dass in Zukunft auch auf ausländische Gastarbeiter zurückgegriffen werden muss. Denn: Neben den Arbeiten auf dem Feld kämpfen die Winzer auch mit steigender Bürokratie. „Die Dokumentation nimmt unglaublich viel Zeit in Anspruch“, berichtet der Wasserloser Winzer. „Eigentlich muss man schon fast immer einen Laptop mitführen.“

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Jutta Reinhard

Nachwuchs macht Hoffnung

Trotz all dieser Umstände gibt es auch einige Nachwuchs-Winzer in unserer Region, die das Handwerk wieder nach vorne bringen wollen. Einer von ihnen ist Jona Pfannmüller aus Michelbach. „Ich habe damals mein Pflichtpraktikum in der Schule bei einem Winzer gemacht“, erinnert sich der 25-Jährige. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich ab da Winzer werden wollte.“ Die täglichen Hürden sind für ihn das Schönste an dem Beruf. „Letztes Jahr hatten wir Probleme mit Pilzbefall, dieses Jahr ist es die Trockenheit“, erklärt der Jung-Winzer. „Man muss jedes Jahr einen Weg finden, das alles zu meistern. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung.“ Auch Jürgen Simon lobt den Nachwuchs. „Es gibt noch viele junge Leute, die sich engagieren und neue Konzepte und Ideen haben.“ Jona Pfannmüller hat dieses Jahr seinen ersten Wein herausgebracht. Er ist sich sicher: der erste von vielen.

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Jona Pfannmüller
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