• Frequenzen: 100,4 & 99,4 & 90,8
  • Tel 06021 – 38 83 0
  • Kontakt

On Air

Jetzt anhören

„Die Stadt ruiniert uns alle!“

28.11.2021, 06:00 Uhr in News
KW47 Strasse 1
Foto: Meder

WÖRTH (jm). Es ist ein Schicksal, das uns alle irgendwann treffen könnte – viele fallen aus allen Wolken - so wie jetzt einige Bewohner aus der Spessartstraße in Wörth. Die Kosten für eine neue Straße zwingen sie an den Rande des finanziellen Ruins: einige denken sogar über den Verkauf ihres Hauses nach, um die immensen Summen im fünfstelligen Bereich zu stemmen. Volker Kempf ist einer von ihnen. Er spricht offen in PrimaSonntag und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt Wörth.

Schauplatz ist die Spessartstraße, nahe dem Ortseingang von Wörth: Ende 2016 starteten die Bauarbeiten in der Straße. Zufahrt und Breite sollten vergrößert werden, da der ursprüngliche Feldweg keinem technischen Regelwerk entsprach und als Erschließungsanlage ungeeignet war. Schon damals sah Anwohner Volker Kempf einige Probleme. „Der Wendehammer ist viel zu klein und durch die Straßeneinfahrt nicht mal ein Feuerwehr- oder Müllauto durch“, berichtet er. Seine Bedenken wurden damals abgewunken. Das Planungsbüro habe das abgesegnet. Knapp fünf Jahre später waren die Arbeiten beendet und die Straße fertig. Für Herr Kempf wurden die Bedenken Realität. „Ich habe selbst ein relativ großes Fahrzeug und komme da kaum durch“, ärgert sich der Anwohner. Vor knapp einer Woche dann der Schock: In Volker Kempfs Briefkasten flatterte ein Brief der Stadt Wörth. „Meine Frau hat gesagt, so kreidebleich hat sie mich noch nie gesehen!“ Er soll knapp 60.000 Euro Erschließungskosten zahlen - mit einer Frist von vier Wochen. „Uns wurde gesagt, dass Kosten auf uns zukommen“, erinnert sich Kempf. „Aber da war die Rede von ungefähr 20.000 Euro!“ Zum Vergleich: Die Stadt Wörth selbst bezahlt 53.000 Euro.

„Ich schäme mich für meine Stadt“

Mit seinem Ärger ist er nicht allein. Auch die weiteren Bewohner der Spessartstraße sind über die knapp 95 Meter lange Straße aufgebracht. Das Beispiel einer 86-jährigen Nachbarin schockiert: Ihr Grundstück schließt an der Rückseite des Hauses nur knapp drei Meter an die neue Straße an. „Vor ein paar Tagen kommt für dieses kleine Stück ohne Vorwarnung eine Rechnung über 26.000 Euro“, berichtet ein verärgerter Nachbar. „Wie soll sie das bezahlen, ohne ihr Haus zu verkaufen? Meine Mutter wohnt seit fast 70 Jahren in diesem Haus!“ Auch Volker Kempf weiß nicht, wie er diese Summe stemmen soll. Auf Nachfrage werden Volker Kempf drei Möglichkeiten genannt: eine Hypothek aufnehmen, Ratenzahlung oder ein Grundbucheintrag. „Ich gehe bald in Rente und habe das Haus bis dahin abbezahlt, soll ich jetzt etwa nochmal bezahlen, bis ich 100 bin?“ Als letzten Ausweg sieht auch der 61-Jährige einen Hausverkauf. „Ich habe schon so viel Geld in dieses Haus gesteckt, der Bauplatz nebenan ist meine Altersvorsorge. Wenn ich das auch noch verkaufen muss, weiß ich nicht mehr weiter.“ Viele in der Straße sind in einem ähnlichen Alter und haben dieselben Sorgen und Ängste. „Es ist eine Frechheit, wie kann die Stadt uns so etwas antun?“ wütet ein verzweifelter Bewohner. „Die Stadt ruiniert uns mit diesen Geldforderungen!“

Alles nach Regelwerk

PrimaSonntag konfrontiert die Stadt Wörth mit den Anschuldigungen der Bürger. Bürgermeister Andreas Fath-Halbig kann den Unmut der Bürger zwar verstehen und bedauert sehr, dass Einzelfälle auftreten, die zunächst nicht nachvollziehbar sind – so wie 3-Meter-Erschließung der 86-jährigen Anwohnerin : „Die Länge ist für den Gesetzgeber aber ausreichend für eine Zufahrt, wodurch ein Erschließungsvorteil entsteht, der wiederum beitragspflichtig ist.“ Für die massive Kostenexplosion für Volker Kempf seien verschiedene Faktoren, wie beispielsweise die Baukosten, verantwortlich. „Die zitierte Straße entspricht dem Regelwerk und wurde so genehmigt“, entgegnet der Bürgermeister auf die harte Kritik. „Aufgrund von beispielsweise bestehenden Gebäuden, Grenzlage der Gebäude und bestehender Bebauung in einem bis dahin ungeplanten Gebiet ist eine andere Ausführung leider nicht darstellbar.“ Er sei allerdings überzeugt davon, dass es gelingen werde, eine zufriedenstellende Lösung für alle Betroffenen zu finden. Wie diese Lösung aussehen könnte, bleibt unklar. Für Volker Kempf bleibt die Sache weiterhin unverständlich. „Es ist nicht auf unsere Vorschläge eingegangen worden, was die Straßenplanung betrifft!“ Für die Zukunft wünscht er sich von der Stadt: „Macht Euch über die Straße im Allgemeinen mal Gedanken!“ Wie es mit den immensen Kosten der Bewohner weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar. Dieser Streit ist scheinbar noch lange nicht beendet!

Warum müssen Bürger für die Sanierung ihrer Straße zahlen?

Immobilienbesitzer müssen sich an den Kosten beteiligen, wenn ihr Grundstück an die betroffene Straße grenzt oder von dort aus zugänglich ist. Wird eine Straße durch Bauarbeiten verbessert, darf die Kommune auch in diesem Fall Beiträge von den Anliegern verlangen. Einen Teil der Kosten für den Bau zusätzlicher Einrichtungen wie Parkstreifen, Straßenbeleuchtung sowie eines Rad- oder Gehwegs etwa dürfen Gemeinden auf die Anlieger umlegen. Das gilt auch, wenn eine Kopfsteinpflaster-Straße asphaltiert wird und dadurch Fahrgeräusche reduziert werden. Als Verbesserung gilt in der Regel auch, wenn eine Straße verbreitert oder umgestaltet wird, um die Verkehrslast besser bewältigen zu können.

KW47 Strasse 2
Ist dieses Stück 26.00 Euro wert?
KW47 Strasse 3
Einer der Anwohner Volker Kempf
KW47 Strasse 4
Der neue Wendehammer in der Straße