Die "Umweltstraße" wird zum Klimasünder
ASCHAFFENBURG (mz). Seit knapp zwei Jahren klaffen an der Aschaffenburger Luitpoldstraße Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Denn seit Frühling 2021 ist die Straße eine sogenannte Umweltstraße. Heißt: Bus-, Taxi- und Radfahrer dürfen die Straße überqueren - für den Rest gilt Durchfahrtsverbot. Noch bis Ende April läuft die Testphase, doch schon jetzt ist klar: Die 100 Meter lange Umweltstraße ist ein Flop. Unzählige Verstöße Tag für Tag. Nur die wenigsten scheinen sich für die Regeln rund um die Luitpoldstraße zu interessieren. Doch für eine konsequente Regeldurchsetzung scheint sich so recht niemand verantwortlich zu fühlen.
Bis zu 2.300 Verstöße täglich
33 Millionen Euro - diese Summe nennt der Verkehrsclub Deutschland für Aschaffenburg-Miltenberg (VCD), wenn die Stadt jeden Verstoß an der Luitpoldstraße geahndet hätte. Der Verband schätzt die Anzahl der Verkehrsteilnehmer, die sich nicht an die Regeln der Umweltstraße halten, auf etwa 1.000 pro Tag, die Stadt spricht sogar von bis zu 2.300 illegalen Durchfahrten täglich. Das wären dann mehr als 70 Millionen Euro Einnahmen nach 600 Tagen. Und tatsächlich: Eine PrimaSonntag-Stichprobe zeigt, dass an einem Werktag zwischen 14 und 15 Uhr sage und schreibe 178 Autos verbotenerweise die Straße durchqueren. Die zahlreichen Regelverstöße nennt der VCD einen Sittenverfall und pocht auf eine strengere Durchsetzung der geltenden Regeln. Der Stadt Aschaffenburg wirft der Verband in einer Mitteilung vor, sich weg zu ducken und sieht in der aus dem Ruder gelaufenen Testphase an der Luitpoldstraße sogar einen Vertrauensbruch in die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Gespräch mit VCD Anfang Februar
Harte Vorwürfe an die Stadt Aschaffenburg, die nun reagiert. „Wir haben die Mitteilung zur Kenntnis genommen. Die Stadtverwaltung wird mit dem VCD Anfang Februar ein persönliches Gespräch führen“, sagt Carla Diehl, Pressesprecherin der Stadt Aschaffenburg. Die Verantwortung, den Verkehr zu kontrollieren, liege aber weiter bei der Polizei. Diese könne aber „die für das Projekt erforderliche Kontrollintensität nicht gewährleisten.“ Keine guten Nachrichten also für die Umweltstraße. „Wir betonen aber, dass das Durchfahrtsverbot korrekt angeordnet und auch korrekt beschildert ist.“ Und trotz der massiven Kritik, sieht die Stadt auch positive Aspekte der Testphase. „Es gibt einen Rückgang der Fahrzeugmengen pro Tag - von 6.800 auf 2.900.“ Doch insgesamt stand die Testphase von Beginn an unter keinem guten Stern. Ob die Aschaffenburger Umweltstraße noch eine Zukunft hat, ist weiterhin offen. Am 30. April endet die zweijährige Testphase. Ab dann liegt es am Stadtrat zu entscheiden, ob und wie die Zukunft der vieldiskutierten Straße aussieht. Noch bis Ende Juni soll hier eine Entscheidung fallen. Fest steht: Soll die Umweltstraße auch in Zukunft existieren, muss sich einiges ändern - im Sinne der Bürger und der Umwelt.
Das sagen unsere Leser:
„Von allen Seiten kommen sie angefahren, die lassen jeden durch. Das ist absolut idiotisch. Wenn nichts kontrolliert wird, machen die Leute, was sie wollen. Ich bin für die Umweltstraße und für mehr Kontrollen.“
„Meine Idee wäre, dass man aus der Luitpoldstraße einfach eine verkehrsberuhigte Zone macht. Viele gehen ja hier ins Theater, da wäre es dann deutlich einfacher.“
„Das sollte auf jeden Fall strenger kontrolliert werden. Da fährt jeder durch und wenn man sie drauf anspricht, werden sie noch aggressiv.“
„Ich bin schon eine Anhängerin einer Umweltstraße, aber das ist hier der völlig falsche Platz. Ich muss jeden Tag außen rum fahren, brauche dann doppelt so lange, weil die Hofgartenstraße ja auch noch geschlossen ist.“