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Es ist allerhöchste Eisenbahn!

23.01.2022, 06:00 Uhr in News
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Fotos: Geschichtsverein Bachgau e.V.

BACHGAU (jm). Spricht man über die Politik der Zukunft, so kommt man nicht am Klimawandel und der Verkehrswende vorbei. Auch aus diesem Grund will die Bayerische Staatsregierung alte Bahnstrecken gezielt reaktivieren. Mit in der Verlosung: unsere alte Bachgaubahn. Ein neues, sogenanntes „Vier-Säulen-Modell“ soll die Lösung sein. In PrimaSonntag verraten Experten und verantwortliche Politiker, worum es sich dabei genau handelt und wie die Chancen für die Bachgaubahn stehen.

Einst zog sie ihre Bahnen durch unsere Region: von Aschaffenburg aus durch Großostheim bis nach Höchst im Odenwald - die Bachgaubahn. In den 70er Jahren änderte sich das dann. „Man ist einfach vom Personenzugverkehr abgehängt worden“, erinnert sich Herbert Jakob Bürgermeister in Großostheim. Bis 1991 wurde die Strecke noch für den Güterverkehr zwischen Aschaffenburg und Großostheim genutzt, danach wurde sie komplett stillgelegt. „Das würde man heute auf keinen Fall nochmal so tun“, erzählt uns Bürgermeister Jakob. „Vor dem Hintergrund Klimawandel und CO2-Einsparung war das definitiv das falsche Signal!“ Mit dieser Meinung ist er nicht allein: „Die Bahn ist das Rückgrat des ländlichen Raum und ist hier von besonderem Wert für den öffentlichen Nahverkehr“, findet Niklas Wagener, Bundestagsabgeordneter der Grünen. Der Slogan damals: „Freie Fahrt für freie Bürger“. Mit einem Spritpreis von etwa 50 Pfennig pro Liter war für viele das Autofahren einfach rentabler - aus Jakobs Sicht rückblickend ein großer Fehler. Bei seinem Amtsantritt 2014 in Großostheim war ein Ziel, die Reaktivierung der Bahn anzustreben. Mittlerweile ist er in diesem Vorhaben nicht mehr allein: Gemeinsam mit der Stadt und dem Landkreis Aschaffenburg ist eine Machbarkeitsstudie auf den Weg gebracht worden. „Die Studie hat ergeben, dass man 800 Fahrgäste pro Werktag erwarten kann“, berichtet Jakob. Da liegt auch schon das erste Problem - laut dem Bayerischen Staatsministerium für Verkehr müssen es rund 1.000 Gäste sein, damit sich eine Reaktivierung rechnet.

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Großostheims Bürgermeister Herbert Jakob

Das Vier-Säulen-Modell

Anfang Dezember dann die Kehrtwende: Kerstin Schreyer, Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, stellt eine Neufassung der Reaktivierungskriterien vor. „Ich finde die Entwicklung sehr gut“, lobt Hans-Jürgen Fahn, Kreisvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland für Aschaffenburg-Miltenberg. „Es ist ein sehr flexibles Modell!“ Hoffnung für die Bachgaubahn? „Es geht darum, die Reaktivierungen weiterzubringen“, erläutert Schreyer auf PrimaSonntag-Nachfrage. Wenn eine Region sich sehr stark wünsche, dass eine Bahnstrecke reaktiviert wird, solle es in Zukunft Möglichkeiten geben, auch wenn die Region unter den 1.000 Fahrgästen liege. Im Falle der Bachgaubahn müssten die Kommunen die fehlenden 20 Prozent Auslastung selbst bezahlen, während der Freistaat für die restlichen 80 Prozent aufkommt - Bürgermeister Jakob hält nicht viel von dieser Idee. „Der Besteller des Schienenpersonennahverkehrs ist die Bayerische Eisenbahngesellschaft. Wer bestellt, der bezahlt!“, fordert Jakob. „In diesem Punkt bin ich mir mit Oberbürgermeister Jürgen Herzing und Landrat Dr. Alexander Legler einig“ Auch Niklas Wagener zeigt sich nicht gerade überzeugt von dem neuen Modell: „Ich finde die Abkehr von der 1.000er-Regelung zwar richtig, allerdings ist es auch falsch, die hohen Kosten auf die Kommunen abzuschieben!“

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Hans-Jürgen Fahn

Brief an den Freistaat

Wie geht es nun also weiter? Der Markt Großostheim, die Stadt und der Landkreis Aschaffenburg haben in dieser Woche einen Brief an Frau Schreyer abgeschickt. „Das Ministerium muss von ihren starren Regelungen abweichen“, fordert Jakob. Beispielsweise würde in Baden-Württemberg schon ab 500 Fahrgästen über eine Reaktivierung einer solchen Strecke nachgedacht werden. „Wieso ist das nicht auch bei uns in Bayern möglich?“ Ein weiterer Kernpunkt des Briefes ist das Finanzielle. „Die Kommunen sind nicht dafür verantwortlich die Kosten zu tragen!“ Diese Meinung teilt nicht jeder: Hans-Jürgen Fahn würde sich wünschen, dass die Kommunen das Modell nicht von vorne herein ablehnen. „Natürlich weiß ich von der Grenze in Baden-Württemberg und das könnte man auch in Bayern anstreben. Aber ich glaube, man muss jetzt einfach mal anfangen“, rät Fahn. „Es geht darum, dass der ganze Bachgau eine Möglichkeit hätte, von Großostheim bis Frankfurt durch zu fahren“, hofft Wagener. Er würde sich wünschen, dass man solche Projekte größer denkt. „Und das könnte man zusammenkoppeln mit beispielsweise der Maintalbahn oder der Kahlgrundbahn.“ Der Markt Großostheim, Stadt und Kreis Aschaffenburg sind jedenfalls fest entschlossen, die Bachgaubahn an den Start zu bringen. „Mit der Bahn können wir dem Klimawandel gegen steuern und CO2 einsparen“, appelliert Herbert Jakob. Prognosen besagen sogar, die Bachgaubahn könnte in zehn Jahren auf 2.500 Reisende kommen. Damit würde auch der Straßenverkehr extrem entzerrt werden. „Man muss das Projekt aber jetzt auf die Gleise bringen!“

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Foto: Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski
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Bild aus 1909, Bau der 270 Meter langen Brücke über den Main
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Der Großostheimer Bahnhof im Jahr 1911