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„Ich will allen zeigen, was ich kann!“

22.01.2023, 06:00 Uhr in News
Sport

GROSSOSTHEIM-PFLAUMHEIM (lm). „Je schwerer es dir fällt, einen Schritt zu machen, umso wichtiger ist es, dass du ihn tust“, schrieb Lukas Lind unter einem seiner Instagram-Posts. Einen solchen Schritt ist der Pflaumheimer nun gegangen: Der 26-Jährige hatte nach langer Überlegung den Mut, seine unheilbare Krankheit, Zerebralparese, über Social-Media öffentlich preiszugeben. Lukas hat mit PrimaSonntag über seine Geschichte gesprochen und uns Einblicke in sein privates und sportliches Leben gegeben.

Die Entscheidung, über seine Krankheit zu reden, habe er sich gut überlegt, er wolle aber „für alle Menschen mit Beeinträchtigung vorpreschen, da sich viele nicht trauen, offen über ihre Krankheit zu sprechen.“ Der 26-Jährige ist seit Kindesalter an körperlich behindert, davon wussten lange jedoch nur seine Familie und seine engsten Freunde. Die erblich bedingte Erkrankung nennt sich Zerebralparese und kommt äußerst selten vor. Sie bezeichnet eine Gruppe von Symptomen mit Bewegungsstörungen und Muskelsteife. Es gibt allerdings therapeutische oder medizinische Optionen, die es den Betroffenen ermöglichen, ihr größtmögliches Potenzial abzurufen. Auch Lukas arbeitet mit einem Physiotherapeuten durch Koordinations- oder Gleichgewichtsübungen daran, die Symptome Stück für Stück zu minimieren. Außerdem stemmt der Zwei-Meter-Mann meist viermal wöchentlich die Gewichte im Fitnessstudio. Trotz der körperlichen Beeinträchtigung führt er ein normales Leben und übt täglich seinen Beruf als Disponent eines Taxiunternehmens aus. „Auch heute wird man noch schräg angeschaut oder schwächer als ‚normale gesunde Menschen‘ gesehen.“ Doch genau das ist seine Motivation: „Diesen Leuten zu zeigen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigung alles erreichen können, wofür man kämpft.“

Eigene Vereinsgründung

Mit dem Fußball kam der Familienmensch schon früh in Berührung und stand bereits seit seinem fünften Lebensjahr auf den Bolzplätzen der Region. Dadurch, dass er Clay Verkaj, Offensivakteur der Aschaffenburger Viktoria, bereits seit dem Kindergarten kennt, „hatte man gar keine andere Wahl als Fußball zu spielen“. Da der heimatverbundene Pflaumheimer lange nicht davon wusste, dass Fußballclubs für Menschen mit Handicap existieren, kickte er bis zu seinem Jugendalter lediglich in seiner Freizeit mit Kumpels. 2014 heuerte er dann bei den Rhinos Wiesbaden an, zwei Jahre später gründete er gemeinsam mit acht weiteren Sportbegeisterten und Viktoria-Anhängern des Fanclubs „Schönbusch Dynamite“ den FC Dynamite Aschaffenburg. Zwischenzeitlich legte der Hobbyfußballverein ein enormes Wachstum hin, doch im Februar vergangenen Jahres sah Lukas sich aufgrund zwischenmenschlicher Differenzen dazu gezwungen, sein Amt als Vorstandsvorsitzender niederzulegen. Im Zuge dessen wurde der FC Dynamite gar aufgelöst. „Einige Monate habe ich gebraucht, um mich davon zu erholen, aber heute kann ich sagen, dass mir nichts Besseres hätte passieren können.“

Hessenauswahl und Lilien

KW03 Sport 3
Lukas Lind (r.) mit zwei Mannschaftskollegen
KW03 Sport 1
Die Lilien feiern den Sieg der hessischen Special Olympics
KW03 Sport 2
Für seinen Traum trainiert Lukas fast jeden Tag.

Denn daraufhin wollte es der Pflaumheimer aber nochmal so richtig wissen: Er wechselte mit dem großen Ziel, für die Hessenauswahl aufzulaufen, zum SV Darmstadt 98. Die Lilien hatten wenige Monate zuvor als erster Profifußballclub überhaupt eine neue Behinderten- und Rehabilitations-Sportabteilung gegründet, die es Menschen mit Handicap ermöglicht, Vereinsfußball zu spielen. Bereits nach drei Monaten bei den 98ern durfte erstmals gefeiert werden: Er und sein Team holten die Goldmedaille bei den hessischen Special Olympics in Darmstadt. Doch damit nicht genug: Das Team konnte zusätzlich die Hessenmeisterschaft und den Hessenpokal erringen. Außerdem belegte man den sechsten Platz bei den Special Olympics in Berlin. Aktuell umfasst die Mannschaft ca. 50 Spieler mit körperlicher oder geistiger Behinderung. „Hier wird jeder behandelt, als wäre es das Normalste auf der Welt. Solch einen Zusammenhalt habe ich bisher in keinem Verein erlebt.“ Auch für die weiteren Lehrgänge wurde der gebürtige Aschaffenburger berufen.

Weiß-Blaues Herz

Linds Leidenschaft zum Fußball geht weit über das Geschehen auf dem Platz hinaus. Er ist glühender Fan von Viktoria Aschaffenburg und unterstützt den SVA auch regelmäßig. Dabei scheut er sich keineswegs vor Reisekosten. Unter anderem zum Auswärtsspiel bei den Schnüdeln aus Schweinfurt begleitete er die Seitz-Elf. Auch wenn Lukas die Schuhe für einen anderen Verein schnürt, ist sein Herz immer noch am Schönbusch verankert. Wenn die Viktoria Anfang März gegen Aubstadt zum ersten Heimspiel der Rückrunde einlädt, wird einer sicherlich auf der Tribüne stehen: Lukas Lind.