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„Man steht aufrecht im Bett“

17.07.2022, 06:30 Uhr in News
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MÖMBRIS-SCHIMBORN (jm). Eigentlich ist der Kahlgrund ein Ort der Idylle und Ruhe - wenn nicht gerade die Kahlgrundbahn fährt! So geht es zumindest den Bewohnern der St. Bruno-Siedlung in Mömbris-Schimborn. Seit zwei Jahrzehnten kämpfen sie gegen die Lärmbelästigung durch die „Bembel“ in ihrer Straße: Verändert hat sich bisher nichts. PrimaSonntag hat die Anwohner besucht und mit Verantwortlichen gesprochen.

„Die Belastung ist für uns extrem“, berichtet Klaus Röll. Er wohnt in der Schimborner Siedlung. Die befindet sich direkt neben den Bahnschienen. Eigentlich kein Problem - wäre da nicht ein kleiner ungesicherter Bahnübergang. „Der ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß“, beklagt Röll. Denn: Um sich bei möglichen Fahrzeugen oder Passanten, die die Schienen überqueren, bemerkbar zu machen, muss der Zugführer hupen. „Die Züge fahren zwei Mal pro Stunde von morgens um fünf bis abends um elf Uhr“, erklären die Anwohner. Bei jeder Durchfahrt wird mindestens drei Sekunden gehupt. „Das Hupen hat eine Lautstärke von 115 bis 120 Dezibel.“ Zum Vergleich: Das ist in etwa dieselbe Lautstärke wie das Knallen eines China-Böllers oder das Geräusch eines Presslufthammers - und das an die 36 Mal pro Tag! „Wenn man zum Beispiel morgens die Fenster offen hat und der Zug fährt durch, dann steht man aufrecht im Bett“, erzählt Uwe Junker, auch Anwohner der Straße. „Fernsehen oder Radio hören ist dann nicht möglich“, klagt eine andere Anwohnerin. „Lärm macht ja bekanntlich auch krank.“ Doch damit nicht genug: Der Bahnübergang bringt noch ein ganz anderes Problem mit sich. „Wenn ich die Schienen Richtung St. Bruno-Siedlung überquere und muss, wegen beispielsweise Gegenverkehr, anhalten, stehe ich mitten auf den Schienen“, schildert Röll. „Unfälle sind hier einfach vorprogrammiert!“ Vor zwei Jahren erwischte der Zug ein Auto beim Überqueren. Der Fahrer zog sich wie durch ein Wunder keine großen Verletzungen zu. „Es gibt genug Beispiele, bei denen Menschen in genau so einer Situation zu Schaden gekommen sind.“ Schon seit 20 Jahren kämpfen die Anwohner gegen Lärmbelästigung und die Gefahrensituation. Bereits am 22. April 2001 berichtete PrimaSonntag über diesen Bahnübergang und seine Probleme. Die Anwohner fordern eine Schranke oder eine Alternative, um die Schienen zu überqueren, um dem Albtraum ein Ende zu setzen - bisher allerdings ohne Erfolg.

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Schranke zu teuer

Obwohl Schimborn zum Markt Mömbris gehört, zählt der Bahnübergang zur Gemarkung der Gemeinde Krombach. Mömbris' Bürgermeister Felix Wissel ist der Fall trotzdem bekannt. „Die Gemeinden Mömbris und Krombach sowie die KVG haben das gemeinsame Ziel, diesen gefährlichen Bahnübergang zu beseitigen“, antwortet Wissel auf unsere Anfrage. Auch Marc Bichtemann, Geschäftsführer der Kahlgrund-Verkehrs-Gesellschaft, zeigt sich optimistisch. Man beschäftige sich intensiv mit dem Fall in Schimborn und sei wie die Anwohner für eine Entfernung des Bahnübergangs. Eine Schranke sei zu teuer. „Die Kosten für eine vollautomatische Schranke liegen im sechsstelligen Bereich und sind deshalb nicht verhältnismäßig“, erklärt Peter Seitz, Bürgermeister der Gemeinde Krombach. Eine weitere Möglichkeit sind alternative Wege über die Bahnschienen. Die Gemeinde Krombach ist im Bereich der Kahlaue Eigentümerin von zwei unbefestigten Wiesenwegen zur Erschließung der landwirtschaftlichen Flächen. Problem: Der erste Wiesenweg scheidet aus, da er direkt an der Kahl entlangführt und nur mit geländegängigen Fahrzeugen benutzt werden kann. Der zweite Weg kommt aufgrund einer Biotopkartierung nicht in Frage - außerdem ist dieses Flurstück zugewachsen.

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Lösung in Sicht?

„Aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde wäre es zielführend, wenn Ausgleichsflächen in den gegenüberliegenden Kleingartenanlagen angeboten werden“, berichtet Seitz. „Als weitere Variante soll die Errichtung eines Steges seitens des Marktes Mömbris geprüft werden.“ Über diese Ergebnisse soll nun erneut abgestimmt werden. Grundsätzlich befürworte man aber die Entfernung des bisherigen Übergangs. Die Bewohner der St. Bruno-Siedlung fühlen sich mittlerweile vertröstet. „Wir sind wirklich sehr frustriert. Es geht seit Jahren nicht vorwärts “, erzählt Klaus Röll. „Man muss ja auch bedenken, dass die Züge seit Jahren immer öfter fahren. Die Lärmbelästigung nimmt nur zu.“ Auch fühlen sich die Bewohner ungerecht behandelt. „Es gibt genug ungesicherte Bahnübergänge, für die Lösungen gefunden wurden. Warum nicht bei uns?“ Auf der Strecke der Kahlgrundbahn zwischen Kahl und Schöllkrippen gibt es 24 nicht technisch gesicherte Bahnübergänge. Zahlreiche andere Beispiele aus der ganzen Region verdeutlichen, wie gefährlich diese ungeschützten Stellen sein können. Beispielsweise wurde im letzten Jahr in Breitendiel ein 79-Jähriger tödlich verletzt und schon vor knapp neun Jahren starb eine 66-Jährige, nachdem ihr Auto in Alzenau an einem unbeschrankten Bahnübergang von einem Zug erfasst wurde. Für die Bahn mögen diese Übergänge nur ein kleines und kostenintensives Problem darstellen, für die Anwohner und die Verkehrsteilnehmer zieht das allerdings teils drastische Konsequenzen mit sich.

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Ungesicherte Bahnübergänge in Breitendiel ...
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... und in Faulbach.