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„Mehr als nur ein bisschen Wasser auf Feuer zu spritzen!“

28.08.2022, 07:30 Uhr in News

BAYER. UNTERMAIN (mz). Es ist ein Sommer der Extreme. Fast täglich sehen wir Bilder von Waldbränden in unserer Region. Noch nie mussten unserer Feuerwehren so oft ausrücken wie in den vergangenen Monaten. Eine Natur am Limit bringt auch die Feuerwehr an ihr Limit. Junge Nachwuchskräfte werden dringend benötigt. Denn der demografische Wandel wird nun auch für die Feuerwehr zum Verhängnis. Ein großes Personalproblem in Zeiten der Wetterextreme!

Für unsere Feuerwehr ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein heißer Sommer. Hitze und Dürre haben auch in unserer Region so viele Waldbrände verursacht wie noch nie. „Wir haben im Schnitt jeden Tag einen bis zwei sogenannte Vegetations- oder Waldbrände im Landkreis“, erklärt Aschaffenburgs Kreisbrandrat Frank Wissel. Er bezeichnet die Arbeit der Feuerwehr bei einem Waldbrand als eine extreme körperliche Belastung. „Es ist einfach Knochenarbeit. Es ist nicht damit getan, einfach ein bisschen Wasser auf ein Feuer zu spritzen, sondern man muss danach den Boden beackern, man muss ihn aufgraben, weil sich das Feuer manchmal in den Boden reinfrisst.“ Einen arbeitsintensiven Sommer liegt ebenfalls hinter der Miltenberger Feuerwehr. „Alleine in den vergangenen sechs Wochen hatten wir in Neudorf, Eschau, Collenberg, Mönchberg und Eisenbach fünf Einsätze solchen Kalibers.“ Mit diesem Kaliber meint Martin Spilger, Kreisbrandrat aus Miltenberg, Brände, die so groß sind, dass mehrere Feuerwehren und Organisationen viele Stunden koordiniert werden müssen. „Die Experten sagen uns das schon seit den 80er Jahren. Die Klimakrise wird uns viel häufiger mit Extremwetterereignissen beschäftigen und sie ist längst da.“

Es braucht Leute,
die ihre Freizeit opfern

Auch Dieter Göpfert, Stadtbrandinspektor in Aschaffenburg, hat schon einige Erfahrungen mit Waldbränden gesammelt. Die Aschaffenburger Flughelfergruppe war erst vor wenigen Wochen selbst bei einem der größten Waldbrände im hessischen Münster im Einsatz. „Das ist absolut kräftezehrend. Wir brauchen bei solchen Einsätzen auch Personal zum Wechseln. Denn ganz wichtig ist, dass zwischendrin die Ruhepausen eingehalten werden.“ Zeit zum Essen, zum Trinken, zum Durchschnaufen! Doch damit stets fittes Personal vorhanden ist, braucht es genug Leute, die ihre Freizeit für den Einsatz bei der Feuerwehr opfern. Aktuell ist die Personallage weitestgehend in Ordnung, doch in den nächsten Jahren könnte der demografische Wandel zu einem großen Problem werden. Vergangenes Jahr wurde für die Feuerwehr ein Personal-Bedarfsplan erstellt. Für Aschaffenburg wurde ein Personalbedarf von 250 Feuerwehrleuten berechnet. Im Kreis Aschaffenburg gibt es aktuell rund 2.600 aktive Feuerwehrleute „Wir sind auf einem guten Weg, aber Unterstützung können wir natürlich immer gebrauchen.“

Feuerwehr-Einladung
zum Geburtstag

Um diesem Trend bereits jetzt entgegenzusteuern, geht die Freiwillige Feuerwehr Aschaffenburg neue Wege. Neben der verstärkten Präsenz auf den Social-Media Kanälen, können auch ganz altmodische Dinge helfen. „Ein Kollege von der Jugendfeuerwehr hat im Winter 2020/21 allen Jugendlichen in Aschaffenburg, die ihr zwölftes Lebensjahr vollendet haben, eine Karte geschickt - eine Einladung zur Feuerwehr“, erzählt Dieter Göpfert grinsend. Eine clevere Idee - mit Erfolg. „Das wurde tatsächlich sehr gut angenommen. Wir haben viele Mitglieder gewonnen. Einige haben auch ihre Geschwister oder Freunde mitgebracht. Das war wirklich toll. Dabei sehen sie auch, dass Feuerwehr mehr ist als rote Autos zu fahren. Es geht um Technik und auch Kameradschaft.“

Das Problem liegt
in der Zukunft

Doch auch solche kreativen Aktionen können nur Teil der Lösung sein. Denn das Problem liegt in der Zukunft und heißt: Demografischer Wandel! Martin Spilger aus Miltenberg ist sich deswegen sicher: „Der uns in allen Bereichen prophezeite Fachkräftemangel wird auch die Feuerwehr treffen.“ Und noch schlimmer: „Die demografische Entwicklung und die Bereitschaft zum Ehrenamt in unserer Gesellschaft werden künftig auch die Helferzahlen der Feuerwehren schrumpfen lassen.“ Eine Einschätzung, die man auch in der Feuerwehr Aschaffenburg teilt. „Wir wissen natürlich auch, dass die geburtenstarken Jahrgänge langsam nachlassen. Kameraden, die über 50 bis 55 Jahre alt sind, können natürlich nicht mehr so leistungsstark arbeiten wie junge Kräfte.“ Und diese jungen Kräfte werden dringend gebraucht. Doch wie viele Jugendliche sind bereit, ihre Freizeit bei der Feuerwehr zu verbringen? Ist da der Besuch bei einem Sportverein nicht die bessere Alternative? Auch Dieter Göpfert sieht diese Gefahr, doch er zeigt sich optimistisch, dass sich viele Jugendliche am Ende doch für die Feuerwehr entscheiden. „Viele sehen, dass eine solche ehrenamtliche Aufgabe auch ihren Reiz hat. Es gibt einem einfach ein super Gefühl, wenn man anderen Menschen hilft.“ Und sollte doch, trotz allen Widrigkeiten, das Wichtigste sein!

KW34 Feuerwehr 1
Dieter Göpfert, Stadtbrandinspektor in Aschaffenburg
KW34 Feuerwehr 7
Miltenbergs Kreisbrandrat Martin Spilger.
KW34 Feuerwehr 6
Löscharbeiten nach einem Waldbrand bei Eschau.