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„Meine Tochter will endlich ihren Papa kennenlernen!“

12.12.2021, 07:00 Uhr in News
KW49 Aschaffenburger Amis1
Frauen erzählen von ihrer Zeit mit den US-Soldaten…und den „Folgen“

BAYER. UNTERMAIN (mk). Das Funkhaus-Telefon stand nicht still. Der Bericht über den ehemaligen US-Soldaten Michael, der vor 40 Jahren in Aschaffenburg stationiert war, schlug hohe Wellen. Michael hoffte, Martina - seine alte Freundin von damals - zu finden und sie vor seinem Abflug zurück in die Staaten noch einmal treffen zu können. Hinweise gab es viele, leider meldete sich Martina nicht bei ihm oder uns. Was wir aber nicht erwarteten: Einige Frauen riefen in der Redaktion an, um ihre Geschichte aus dieser Zeit zu erzählen…und nach den amerikanischen Vätern ihrer Kinder zu suchen. Es sind teils herzzerreißende Dramen, die sich damals bei uns abspielten.

„Ich habe ihn zum ersten Mal 1979 auf einem Fest an der Mainwiese in Aschaffenburg gesehen und fand ihn gleich toll. Eigentlich dachte ich, ich würde ihn nicht wiedersehen und dann stand er plötzlich in der Kleinwallstädter Disco Klimbim vor mir“, erinnert sich Maria aus Wörth. Sie arbeitete als 17-Jährige an den Wochenenden im Klimbim und verliebte sich in den gleichaltrigen Norman, der als US-Soldat in Aschaffenburg stationiert war. Es begann eine intensive, fast dreijährige Beziehung. Maria war oft gemeinsam mit Normans Gruppe unterwegs - einer von ihnen war auch Michael. „Als ich den Artikel las, musste ich einfach Kontakt aufnehmen“, erzählt Maria. Denn: Ihr Norman musste Deutschland wieder verlassen, als sie im vierten Monat von ihm schwanger war. „Wir verabschiedeten uns ganz normal. Er sagte, er würde in zwei Jahren zurückkommen und sich melden, sobald er in den USA ist.“

Hoffnung auf Happy-End

Nichts passierte. „Ich vermutete, dass meine Mutter seine Briefe abgefangen haben könnte. Als ich seinen ehemaligen Kollegen auf dem deutsch-amerikanischen Volksfest traf, sagte ich ihm, er soll Norman ausrichten, dass er Vater einer Tochter ist. Auch danach kam nichts mehr.“ Marias Tochter wird nächstes Jahr 40. Sie versuchte schon öfter, ihren Vater ausfindig zu machen, um ihm zu sagen, dass er schon Opa und Uropa ist. Jetzt erneut die Hoffnung: Maria nahm Kontakt mit Michael auf, der tatsächlich noch eine Telefonnummer seines alten Kameraden Norman hat. Es soll der letzte Versuch sein, mit der Vergangenheit abzuschließen oder vielleicht doch ein Happy-End zu bekommen. Und tatsächlich: Michael kontaktierte uns und sagte, Norman habe mit seiner Tochter telefoniert, er sei geschockt gewesen über den Anruf aus Deutschland.

Zum Abschied
eine Ohrfeige

Aschaffenburg Ende der 50er Jahre: Die 23-jährige Inge* arbeitet im Snackbistro in der Jägerkaserne. Sie ist im täglichen Kontakt mit den GI’s, hat ein Zimmer in der Nähe der Metzgergasse. Terry ist 23 und in der Smith Kaserne stationiert. Er verliebt sich in Inge, sie verloben sich sogar. Was ihr aber nicht klar sein sollte: Terry hat es faustdick hinter den Ohren, wird verdächtigt, Geld in einem Aschaffenburger Restaurant entwendet zu haben. Und nicht nur das: Als Inge schwanger wird, behauptet er, das Kind sei sicher nicht von ihm - sie könnten auch nicht heiraten, weil seine Mutter in den USA dagegen sei. „Hochschwanger erfuhr ich dann, dass er noch eine andere in der Stadt hatte und mit ihr im Urlaub war. Er kam zu spät wieder zurück zur Kaserne, wurde daraufhin unehrenhaft entlassen und wieder in die USA geschickt.“ Ihr letzter Abschiedsgruß: eine schallende Ohrfeige an der Kaserne. Terry ließ den Kontakt erstmal nicht abreißen. Er schrieb ihr Briefe, darin hieß es später (bereits geschieden), dass er seine Entscheidung bereue und sie und den gemeinsamen Sohn wiedersehen wolle. All ihre Antwortbriefe kamen allerdings zurück. Der Kontakt riss ab. Heute ist Inges Sohn schon 60, die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seinem Vater hat er eigentlich aufgegeben, würde zumindest aber gerne wissen, ob Terry noch lebt. Inge heiratete noch einmal viele Jahre später, weitere Kinder bekam sie nicht.

Aussprache nach
Eifersuchts-Drama

Ein weiterer Anruf kam von Martina aus Aschaffenburg, die sich allerdings nicht als die gesuchte herausstellte. „Ich hatte zwischen 1975 und 1980 Kontakte zu US-Soldaten. Vor allem würde ich mich gerne mit meinem Ex-Freund George aussprechen. Wir sind nicht im Guten auseinandergegangen. Er war sehr eifersüchtig und flippte einmal richtig aus. Danach wurde er unehrenhaft entlassen und musste zurück in die USA. Als ich das mit ihm klären wollte, war er schon weg.“ In der Hoffnung auf eine Aussprache wollte auch sie Kontakt mit Michael aufnehmen, vielleicht kannte er George, der zur ähnlichen Zeit in der Smith Kaserne war...Es sind drei Schicksale, die heute noch weite Kreise ziehen. Diese Zeit lässt die Frauen nicht los, uneheliche Kinder sind entstanden, Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und Missverständnisse führten zu Narben, die jetzt Jahrzehnte später noch aufreißen. Vielleicht gibt es das ein oder andere gute Ende doch noch. Michael ist seit gestern zurück in den USA, hat aber definitiv große Spuren hier hinterlassen.

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Maria und Norman waren drei Jahre lang ein Paar.
KW49 Aschaffenburger Amis4
KW49 Aschaffenburger Amis3
Norman als junger US-Soldat in Aschaffenburg
KW49 Aschaffenburger Amis5
Maria war hochschwanger, als Norman Aschaffenburg verließ.
KW49 Aschaffenburger Amis6
Ihre Tochter kam im Februar 1982 zur Welt.
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