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Neue Rollenbilder braucht das Land

06.03.2022, 06:00 Uhr in News
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+++ Gleichbehandlung? Gleiche Bezahlung? Gleiche Wertschätzung? So steht es um die Geschlechterverteilung +++

BAYER. UNTERMAIN (dmk). Wie ist die Lage der Frau bei uns im Jahr 2022? Auf welche Forderungen sollte rund um den Weltfrauentag am kommenden Dienstag besonders geachtet werden? Wir haben mit Frauen gesprochen, die in vermeintlichen Männer-Domänen arbeiten und gefragt: Was fehlt noch zur Gleichstellung?

Die Kleinostheimer Soziologin Dr. Birgit Happel widmet sich beruflich der finanziellen Gleichstellung von Frauen. In den letzten Jahren sieht sie auch Verbesserungen, wie bei den Betreuungsangeboten: „Diese verbesserte Infrastruktur erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch haben wir einen leichten Rückgang beim ‚Gender Pay Gap‘, der Lohnlücke, die allerdings immer noch etwas über dem europäischen Durchschnitt liegt.“ Problematisch sei auch der höhere Teilzeitanteil von Müttern, vor allem im Gegensatz zu den Vätern. „Oft ist es für Familien die ökonomisch sinnvollere Entscheidung, wenn die besser verdienende Person mehr arbeitet. Man darf dabei aber auch die langfristigen Folgen, etwa in Bezug auf die Karriereaussichten, nicht aus den Augen verlieren“, so Happel.

KW09 Weltfrauentag Birgit Happel
Dr. Birgit Happel. Foto: Alexandria Singler

Dr. Birgit Happel ist am 8. März online doppelt zu hören: Beim Vortrag „Aufblühen statt Ausbrennen: Erwerbs- und Sorgearbeit fair teilen“ über die vhs Aschaffenburg und bei „Expertinnen auf der Couch: Finanzielle Unabhängigkeit von Frauen - nicht nur am Frauentag“ beim Landratsamt Aschaffenburg

Jede 5. Frau opfert Beruf

Auch die beiden Corona-Jahre seien am Berufs-Alltag der Frauen nicht spurlos vorübergegangen, weist die Soziologin auf Erkenntnisse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts: „Laut Zahlen des WSI hatte im Januar 2022 jede fünfte Frau ihre Erwerbsarbeit reduziert, um mehr unbezahlte Arbeit wie Kindererziehung und Hausarbeit stemmen zu können.“ Daher fordert Birgit Happel für die Gleichstellung der Frau: „Wir brauchen neue Rollenbilder, eine gerechte Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern und ein modernes Steuersystem, das nicht weiter falsche Anreize für Paare setzt, zumindest eine Abschaffung der Steuerklasse fünf.“

KW09 Weltfrauentag Dr Heike Wenzel
Dr. Heike Wenzel. Foto: Foto-Ziemlich

IHK-Präsidentin Dr. Heike Wenzel

„Frauen sind an der Spitze von Unternehmen, Verbänden und Organisationen nach wie vor unterrepräsentiert. Das gilt auch für unsere IHK-Organisation, von den 79 IHKs haben bisher elf Kammern Präsidentinnen an ihrer Spitze. Von daher muss noch einiges passieren, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu steigern. Einerseits leben wir immer noch im Kulturwandel, Frauen gleichwertig in Führungsrollen zu akzeptieren. Andererseits müssen Karrieren von Frauen noch mehr gefördert werden, insbesondere wenn diese durch die Familienplanung einige Jahre unterbrochen wurden. “

KW09 Weltfrauentag Anika Nilles
Anika Nilles. Foto: Marius Mischke

Anika Nilles, vielfach ausgezeichnete Schlagzeugerin aus Keilberg

„Das Verhältnis hat sich hier in den letzten Jahren deutlich verändert. Vor allem im Schlagzeugbereich gibt es immer mehr Mädels, die zu den Sticks greifen und auch dran bleiben, es zu ihrem Beruf machen wollen. Es wird sicher noch viele Jahre brauchen, bis sich die Szene mehr mischt, aber wir sind auf einem guten Weg.“

KW09 Weltfrauentag Nina Mattes
Nina Mattes. Foto: TVG

Nina Mattes, Team-Managerin des TV Grosswallstadt

„Prinzipiell habe ich in meiner jetzigen Tätigkeit nur positive Erfahrungen gemacht - ganz im Unterschied zu meiner vorherigen Beschäftigung in der Pharmaindustrie. Im Sport ist ein lockerer Umgang unter allen Beteiligten üblich, Frauen haben dort mittlerweile ein gutes Standing. Wir haben mit Jennifer Kettemann bei den Rhein-Neckar-Löwen eine Frau als Geschäftsführerin, und Lisa Heßler von den Eulen Ludwigshafen ist mit 32 die jüngste Geschäftsführerin. Auch wenn die meisten Funktionäre noch männlich sind, hat sich hier doch schon extrem viel getan. Ändern muss sich vor allem bei den Sportlerinnen selbst etwas. Es ist im Handball zwar nicht so ausgeprägt wie im Fußball, aber die Akteurinnen leisten genauso viel wie ihre männlichen Kollegen, bekommen aber nicht die gleiche Aufmerksamkeit und auch keine vergleichbare Bezahlung. Das Equal Pay, das sich die US-Fußballerinnen von ihrem Verband erkämpft haben, ist hier definitiv ein Signal in die richtige Richtung.“

KW09 Weltfrauentag Marianne Krohnen
Marianne Krohnen. Foto: Gemeinde Geiselbach

Marianne Krohnen, Bürgermeisterin von Geiselbach

„Ich habe in meinem Beruf als Bürgermeisterin in 38 Jahren überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich Frauen ihren Berufswunsch erfüllen können. Ich erlebe bei uns im Landkreis Aschaffenburg - und ich glaube, da spreche ich auch für meine fünf Kolleginnen - dass wir unter insgesamt 32 Bürgermeister/innen durchaus anerkannt sind.“

KW09 Weltfrauentag Bianca Amsel
Bianca Amsel

Feuerwehr-Kommandantin Bianca Amsel aus Laudenbach

„Ich war 18 Jahre bei der Berufsfeuerwehr Frankfurt und habe nahezu ausschließlich nur mit männlichen Kollegen zusammengearbeitet. Negative Akzeptanz konnte ich wahrnehmen, es gibt immer mal wieder Personen auf dem Lebensweg, bei denen die Chemie nicht stimmt, jedoch hatte das nichts mit dem Geschlecht zu tun und ich bin auch nicht der Typ, der sich sowas einreden lässt. Mein Selbstbewusstsein und meine Einstellung zu meinen Fähigkeiten haben sich im Laufe der Jahre verändert. Sobald wir akzeptieren, dass jeder auf seine Art etwas Besonderes ist, wird unsere Welt ein besserer Ort. Nur im Team sind wir stark, jeder mit seinen Fähigkeiten für die Gemeinschaft, das macht die sozialen Organisationen aus, egal ob Feuerwehr, THW, Rettungsdienst oder die vielen weiteren Hilfsdienste.“

Das sagen PrimaSonntag-Leser zu Gleichstellung und Weltfrauentag:

Angelika Walder aus Aschaffenburg
„In Russland wird das eher gefeiert, hier nicht so stark. Ich merke einen Unterschied, dass ich weniger Gehalt bekomme als Männer, die die gleiche Arbeit machen. Aber irgendwie findet man sich damit ab und ich hoffe, dass sich das künftig ändert.“

Manuela Green aus Aschaffenburg-Damm
„Zu machen gibt’s immer was, gerade für uns Frauen. Ich werde jetzt 52 Jahre alt, ich bin mittlerweile so selbstbewusst, dass ich mich als Frau durchsetzen kann und dass ich als Frau meinen Mann stehe.“

Astrid Bernhard aus Kleinostheim
„Ich finde, es gibt noch nicht genug Gleichberechtigung. Es muss vor allem noch daran gearbeitet werden, dass Frauen denselben Lohn bekommen, wie die Männer, die die gleiche Arbeit machen. Ich habe das selbst noch nicht zu spüren bekommen, weil ich Hausfrau bin.“

Sumin Diehl aus Aschaffenburg
„Bei uns muss noch einiges getan werden, beispielsweise finanzielle Angelegenheiten. Ich selbst habe es auch schon beim Gehalt spüren müssen und generell, wie die Männer die Frauen behandeln.“

Birgit Hoser aus Aschaffenburg
„Der Weltfrauentag ist der weltumspannende Zusammenschluss der Frauen, damit Frauen auch in weniger entwickelnden Ländern genauso zu ihren Rechten kommen. Ich denke, es gibt noch genug zu tun – finanzieller Ausgleich in der Arbeit zum Beispiel, auch die Rollenverteilung der Frauen. Da müssen aber auch die Frauen etwas dazu beitragen, weil viele meinen, sie sind in der alten Rolle der Hausfrau immer noch richtig.“

Angeliki Capronis aus Mömlingen
„Ich denke, an der Gleichberechtigung muss nicht mehr gearbeitet werden. Ich habe bisher selbst auch keine Ungerechtigkeit spüren müssen.“

Werner Riegler aus Aschaffenburg
„Die typischen Rollenbilder gehören schon lange abgeschafft, ich habe sowas noch nie verstanden, weil ich meine Mutter immer als gleichberechtigt gesehen habe. Ich finde, dass jeder Mensch so leben kann, wie er will, aber er sollte die anderen nicht unterdrücken. Deshalb finde ich auch den Weltfrauentag gut, weil dort etwas dazu gesagt wird.“

Hildegard Graf aus Aschaffenburg
„In der Familie soll auch ein bisschen mehr auf die Frauen geachtet werden und nicht immer am Frauentag daran erinnert werden, genauso wie der Muttertag - da bekommt man nur ein schlechtes Gewissen. Ich habe schon viel Ungerechtigkeit erfahren, im Bekanntenkreis werden Frauen schon unterdrückt. Vor allem in den Fabriken wird schon ein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht.“

Angelina Schwarz aus Aschaffenburg
„Ich finde, Frauen sollen genauso viel verdienen wie Männer. Bei mir auf der Arbeit müssen die Frauen viel mehr machen und die Männer sitzen gefühlt nur rum und machen nichts.“