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Nur die Sp(r)itze des Eisbergs

24.07.2022, 06:30 Uhr in News
KW29 Drogen Fund
Fotos: Polizei Unterfranken

BAYER. UNTERMAIN (mg). Der Rekord-Drogenfund am Aschaffenburger Hafen vor kurzem erschütterte den Untermain. Nach einem Tipp aus dem Ausland, fand man in einem Container sage und schreibe eine Tonne Kokain - die größte Einzelmenge, die jemals in Bayern sichergestellt worden ist. Die Ware wurde weiter ins hessische Friedberg geliefert, wo die Ermittler drei Männer auf frischer Tat ertappten. Der Fund wirft jedoch Fragen auf: Sind solche Mengen auch bei uns im Umlauf? Sind wir durch die Nähe zu Frankfurt die Drogen-Hauptstadt Bayerns? Wir haben mit Polizei und einem Experten über die Situation am Untermain gesprochen.

„Größere Machenschaften sind auf jeden Fall Gang und Gebe in Aschaffenburg“, schildert Christoph Jahrsdörfer - der Aschaffenburger Rechtsanwalt hat immer wieder Klienten, die mit Drogendelikten zu kämpfen haben. Den Hauptbestandteil sieht er dabei in „weichen Drogen“ wie Haschisch und Marihuana. Die Polizei kann das bestätigen: Über 30 Kilogramm an Cannabis wurden im vergangenen Jahr in unserer Region sichergestellt. Im Bereich der „härteren Drogen“ ist in den letzten Jahren ein klarer Anstieg an Kokain und Amphetaminen zu erkennen. Heroin hingegen ist deutlich abgefallen, im Vergleich zu den Vorjahren. Auch der vor einigen Jahren erwartete „Crystal-Boom“ ist ausgeblieben - zwar sind die Fallzahlen angestiegen, aber nicht in befürchtetem Umfang. Generell lässt sich aber ein Rückgang in der Entwicklung der Betäubungsmittel-Kriminalität erkennen - zumindest laut offizieller Statistik.

Jahr

Stadt
Aschaffenburg

Lkr.
Aschaffenburg

Lkr.
Miltenberg

2018

491

394

432

2019

603

406

460

2020

606

414

499

2021

433

403

395

KW29 Drogen Statistik

Dunkelziffer hoch
Laut Jahrsdörfer sind die Zahlen der Rauschgiftdelikte nur bedingt aussagekräftig: „Sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben eine reges Drogenumfeld - der Einfluss des Rhein-Main-Gebietes, sprich des Umschlagplatzes Frankfurt, ist groß.“ Ein Laborbericht der Technischen Universität Dresden aus dem letzten Jahr unterstreicht die Aussagen des Anwalts. Bei einer Abwasseruntersuchung hatte Aschaffenburg damals vor allem bei einer Droge die Nase vorn: 1.000 Menschen in Aschaffenburg konsumieren täglich Speed - Kokain bis zu 500. Während es in München noch öfter „schneit“ als bei uns, hängen wir bei Speed und Ecstasy sogar Großstädte wie eben München oder auch Hamburg ab. Der Großteil an Drogen wird in Privatwohnungen konsumiert oder verkauft, trotzdem wird auch immer an öffentlichen Plätzen gedealt und geraucht: An Schulen in Stadt und Kreis wird gekifft, genauso am Main, sowie im Schöntal in Aschaffenburg. Zuletzt wurden auch vermehrt Spritzen an Bahnhöfen im Kreis Miltenberg gefunden.

„Gutes Zeug“ aus dem Ausland
Die Ware kommt vermehrt aus dem Ausland und wird über Frankfurt in unsere Region verteilt. Das hat für Konsumenten sowohl positive, als auch negative Effekte. „Die Wirkstoffgehalte, egal welcher Drogen, sind in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Wir haben Marihuana im Umlauf mit teilweise 20, 25 Prozent Wirkstoffgehalt-Gehalt.“ Die gestiegene Qualität bringt aber auch teurere Preise mit sich: Laut PrimaSonntag-Informationen bezahlt man für ein Gramm Kokain in unserer Region um die 70 Euro - Speed, Gras und Hash wechseln für 10 Euro aufwärts den Besitzer. Wer sind die Kunden, die den Dealern das Überleben ermöglichen? „Menschen aller Altersklassen - von Jung bis Alt“, so Jahrsdörfer. Das Strafmaß bei einem Drogendelikt hängt immer von der Menge und der Art der Droge ab. „Bei Marihuana und Haschisch kommt man in der Regel bei einem halben bis ganzem Kilo in Untersuchungshaft. Bei Kokain reichen da schon 20, 30 Gramm.“ Die externe Suchtberatung der Caritas schätzt die Zahl der Gefangenen mit einer Drogen- und/oder Alkoholproblematik in der JVA Aschaffenburg auf ca. 60 bis 80 Prozent. Das Geschäft mit Drogen in unserer Region ist gefährlich, lohnt sich für viele offenbar aber auch, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Besonders dramatisch und traurig vor dem Hintergrund, dass diese Woche bekannt wurde, dass vergangenes Jahr 1.826 Menschen in Deutschland an Drogen starben – so viele, wie seit 20 Jahren nicht mehr.

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