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„Selbstverteidigung darf nicht die Lösung sein“

04.09.2022, 07:00 Uhr in News

STOCKSTADT (fs/acm). Jede Frau kennt das Gefühl: Es ist Abend, es ist dunkel - der Weg nach Hause dauert zwar nur zehn Minuten - trotzdem kommt Panik auf. Vor allem, wenn einem dabei ein anderer Mensch über den Weg läuft - er könnte ja ein potentieller Angreifer sein. Ein Gefühl von Machtlosigkeit breitet sich aus. Gewalt an Frauen ist auch heutzutage noch ein großes Problem in unserer Gesellschaft.

Kürzlich wurde erneut eine erschreckende Statistik veröffentlicht: Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder ihres Ex-Partners! Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Auch am Bayerischen Untermain gibt es immer wieder Fälle von diesen sogenannten Femiziden. PrimaSonntag-Reporterin Felicia Stichter hat sich gefragt, wie sich Frauen schützen können: Selbstverteidigung ist eine Option! Solche Kurse werden unter anderem in Stockstadt angeboten. Leiter von diesen „Frauenkursen“ sind Dorina Olt und Alexander Ranavolo. Teilnehmerinnen sollen dabei vor allem drei Dinge lernen: Prävention, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung. Basis ist die Kampfsportart JuJutsu. „Es gibt tatsächlich Techniken, um sich aus jeder Situation zu befreien“, erklärt Ranavolo. In kurzer Zeit darf unsere Reporterin Methoden lernen, um sich loszureißen oder sogar aus einer Eskalation zu entkommen! „Das Fliehen ist tatsächlich die allerwichtigste Regel!“, bekräftigt Olt. „Wichtig ist aber auch, die Übungen immer wieder zu wiederholen, damit sie in Fleisch und Blut übergehen.“ Solche Techniken können in ernsten Situationen lebensrettend sein! Vor allem erfordern sie keinen großartigen Kraftaufwand. Die Möglichkeit einen solchen Kurs zu belegen, darf aber nicht von dem eigentlichen Problem ablenken: „Im Endeffekt sollte die Notwendigkeit gar nicht bestehen, dass Frauen sich verteidigen müssen!“, argumentiert Olt.

Frauenhäuser als Anlaufstelle
Frauen werden immer wieder Opfer von Gewalt - meist durch männliche Hand. Häusliche Gewalt besteht aus fünf verschiedenen Formen. Bei Gewalt denken die meisten erstmal an körperliche Gewalt - doch die fängt meist schon woanders an. Es gibt die psychische, soziale, ökonomische und sexualisierte Gewalt. Soziale Isolation, Bedrohungen und das Einschränken eigener Finanzen zählen also auch dazu. Psychische Gewalt kommt meist in Verbindung mit der körperlichen: Häufig fallen Sätze, wie: „Du kannst nicht ohne mich“, „Du kannst dich sowieso nicht befreien, weil ich dich im Griff habe“ und „Du bist nichts wert.“ Hilfsorganisationen wie SEFRA aus Aschaffenburg setzen genau hier an: Sie beraten Betroffene und vermitteln sie weiter - unter anderem an Frauenhäuser. Das sind geschützte anonyme Wohnheime, bei denen Frauen – meist auch mit ihren Kindern - Schutz finden. Denn in Familien sind bei vielen Gewalt-Fällen nicht nur die Frauen betroffen - auch Kinder sind häufig Opfer. Bei SEFRA haben sich 2021 insgesamt 2.069 Frauen beraten lassen - das sind pro Tag mehr als fünf Frauen. Häusliche Gewalt ist also immer noch präsenter, als gedacht. Aufklärung ist umso wichtiger. Für Hilfesuchende gibt es auch einen Notruf: Unter der 08000 116 016 ist das Hilfetelefon für häusliche Gewalt erreichbar.

Die Kursleiter Alexander Ranavolo und Dorina Olt