• Frequenzen: 100,4 & 99,4 & 90,8
  • Tel 06021 – 38 83 0
  • Kontakt

On Air

Jetzt anhören

"Sind kaum in der Lage, die Bevölkerung zu warnen!"

01.05.2022, 06:00 Uhr in News
KW17 Katastrophenfall Tiefgarage1

BAYER. UNTERMAIN (fs). Die Flut im Ahrtal hat es gezeigt: Katastrophen können unerwartet auftreten. Auch am Bayrischen Untermain sind wir nicht vor einer möglichen Katastrophensituation bewahrt. Hochwasser, Cyberangriffe oder Gefahrstoffe lauern fast überall. Und kaum auszudenken: Seit dem Beginn des Ukrainekrieges machen sich die Menschen in der Region noch mehr Gedanken über unsere Schutzvorkehrungen. Direkt nach Ausbruch des Krieges riefen Leser in der Redaktion an und fragten: Wo sind eigentlich bei uns Schutzbunker, wenn der Ernstfall eintreten sollte?

„Wir sind kaum in der Lage, unsere Bevölkerung zu warnen“, bemängelt Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing das Warnsystem in der Stadt Aschaffenburg. Damit bezieht er sich auf die aktuelle Anzahl der Sirenen in der Stadt. „Wir haben eine einzige funktionstüchtige Sirene. Und die haben wir nur wegen eines Störfallbetriebs.“ Anfang der 2000er Jahre wurde in Aschaffenburg beschlossen, alle Sirenen abzubauen. Krieg in Europa gibt es nicht mehr, war die Begründung. Die Bevölkerung ordnungsgemäß warnen zu können, ist in einem Katastrophenfall jedoch extrem wichtig. Das betont auch Andrea Lindholz, Bundestagsabgeordnete für Stadt und Kreis Aschaffenburg. In den Landkreisen ist die Warn-Situation etwas besser: Der Kreis Miltenberg besitzt 130 funktionstüchtige Sirenen. Im Kreis Aschaffenburg sind es sogar 170. „Die sind aber dafür da, um die Feuerwehr zu alarmieren, nicht um die Bevölkerung zu warnen“, erklärt Marcel Fleckenstein, Sachbearbeiter für Brandschutz und Feuerwehrwesen im Kreis Miltenberg. Die Warnungen sollten über die Apps NINA und Katwarn sowie Funk und Fernsehen erfolgen.

Auch Schutzräume sind nicht ausreichend

Viele Menschen in der Bevölkerung sind darüber hinaus besorgt, es könnte durch die Ukraine-Krise zu einem Angriff auf Deutschland kommen. Eine solche Situation zählt dann nicht mehr als Katastrophen,- sondern als Verteidigungssituation. Neben den fehlenden Sirenen sind auch Schutzbunker eine absolute Mangelware am Bayerischen Untermain. In Aschaffenburg sind für 4.000 Personen Schutzräume vorhanden. Eine Möglichkeit, Menschen unterzubringen, befindet sich in der Tiefgarage in der Stadthalle. Bei mehr als 70.000 Einwohnern reicht das aber lange nicht aus. Im Kreis Miltenberg gibt es keinen einzigen funktionsfähigen Bunker mehr. Auch die sind nicht mehr gepflegt worden, nachdem der Bedarf nicht mehr für nötig gehalten wurde. „Es gibt jedoch andere Maßnahmen zur Vorbereitung, die sind viel dringender als Schutzbunker“, erklärt Lindholz. „Wir müssen für eine bessere Notversorgung sorgen!“ Dazu zählen der Gesundheitsschutz, aber auch Reserven von gewissen Gütern aufzubauen. Zusätzlich müssen mehr ehrenamtliche Helfer ausgebildet werden, die im Notfall die Bundeswehr und die Hilfsorganisationen unterschützen können.

Änderungen sind in Sicht

„Für lokalbegrenzte Katastrophen sind wir gut aufgestellt“, berichtet Lindholz. Dazu zählen zum Beispiel Brände, Stromausfälle oder kleine Hochwasser. „Nachholbedarf haben wir bei sogenannten Großschadenslagen, die mehrere Bundesländer betreffen.“ Also, Katastrophen wie zum Beispiel die Flut im Ahrtal, Cyberangriffe auf größere Infrastrukturen und darüber hinaus auch bei einem realen Angriff auf Deutschland.

In der Stadt Aschaffenburg ist eine Verbesserung der Warn-Situation teilweise abzusehen. „Wir haben ein fertiges Konzept für 20 neue Sirenen“, erklärt Herzing. Es fehlt nur noch das „Okay“ von der Regierung in Unterfranken. Sobald die Sirenen da sind, muss die Bevölkerung geschult werden, da kaum jemand noch die Bedeutung der Warntöne kennt. Auch ein Cell Broadcast System ist für ganz Deutschland in Bearbeitung. Dort bekommt jeder Nutzer eine Warnung auf sein Handy, sobald er eine Gefahrenzone betritt. In anderen Ländern gibt es das schon, in Deutschland waren dort noch Zweifel beim Datenschutz, die zuerst ausgeräumt werden mussten. Auch beim Thema Schutzbunker läuft aktuell eine Bestandsaufnahme. In Zukunft sollten dabei Keller besser darauf ausgerichtet werden, als mögliche Schutzbunker zu dienen. Derzeit zählen untere Etagen von Parkhäusern, wie das der Stadthalle Aschaffenburg, zu den Zufluchtsstätten. Hoffen wir, sie niemals benötigen zu müssen.

KW17 Katastrophenfall Juergen Herzing
KW17 Katastrophenfall Marcel Fleckenstein
Lindholz Pressefoto Portrait 5