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So sieht die Zukunft unseres Spessarts aus!

11.12.2021, 20:16 Uhr in News
KW49 Biosphaerenreservat Spessart
K(l)eine Alternative zum Nationalpark?

SPESSART (mg). Vor einigen Jahren war der Aufruhr am Untermain groß. Der Spessart sollte zu einem Nationalpark umfunktioniert werden. In so gut wie jeder Ortschaft hingen die Menschen ihren Häusern „Nationalpark Nein danke!“- Plakate auf. Sie wollten ihre Rechte auf die Waldressourcen Holz, Pilze und Co. nicht abtreten. Heute ist das immer noch so der Fall - oder? Denn inzwischen haben Naturschutzorganisationen einen neuen Vorschlag ins Spiel gebracht, der immer mehr Gestalt annimmt: ein Biosphärenreservat im Spessart.

Aber was ist der Unterschied zum Nationalpark? Beim Biosphärenreservat sollen der Mensch und die Natur im Einklang leben. Nur ein kleiner Teil, die sogenannte Kernzone, steht unter Naturschutz. Dort bleibt die Natur unberührt und wird von einer Pflegezone, in der Menschen sich um die Natur kümmern geschützt. In der Entwicklungszone, dem Großteil des Reservats, sind grundsätzlich alle Wirtschafts- und Nutzungsformen erlaubt. Doch einige Faktoren sind dabei zu beachten: Der Spessart würde unter Landschaftsschutz stehen und zu einer UNESCO-Modellregion werden. Das heißt, die Bewirtschaftung muss nachhaltig sein und es fallen strengere Regeln beim Straßen- und Häuserbau an. In welchem Teil des Spessarts sich die Kernzone befinden soll, steht noch in den Sternen und soll in den nächsten zwei Jahren mit einer Machbarkeitsstudie geklärt werden. Das wurde von den Landkreisen Aschaffenburg, Miltenberg, Main-Spessart und der Stadt Aschaffenburg beschlossen. Ob, wo und wann es möglich sei, soll anhand der Studie entschieden werden. Ein potenzieller Ort für die Kernzone wäre das Hafenlohrtal bei Rothenbuch. Doch schon damals bei der Idee des Nationalparks war die Empörung in den umliegenden Gemeinden riesig. Der Großteil der Menschen sahen weder einen Nutzen, noch wollten sie ihren geliebten Wald aufgeben.

„Wollen frei zugänglichen Wald“

So auch Christian Schreck. Der Weibersbrunner ist schon seit früher Kindheit im Wald unterwegs und hatte sich damals gegen einen Nationalpark ausgesprochen. Er findet ein Biosphärenreservat unter gewissen Umständen nicht schlecht. „Für mich ist es wichtig, dass die Bürger hier vor Ort Mitspracherecht haben und nicht wie damals beim Nationalpark einfach entschieden wird“, so der passionierte Jäger. „Außerdem würde ich mir wünschen, dass von vorne herein Grenzen gesetzt werden. Nicht, dass es dann heißt: Die Kernzone muss vergrößert werden“. Mit Edgar Väth sieht es ein weiterer Weibersbrunner ähnlich: „Es ist problematisch, wenn ein Staat einfach Grenzen festlegt. Ich habe lieber freie Natur und einen frei zugänglichen Wald für alle.“

„Kein Verständnis für Gegner“
Sebastian Schönauer, ehemaliger Rothenbucher Bürgermeister und Mitglied im Bund Naturschutz in Bayern, versteht die Argumente gegen ein Biosphärenreservat nicht: „Diese Leute sind für mich unaufgeklärt und renitente Verweigerer“, so der Umweltaktivist, der vor rund 40 Jahren für die Rettung des Hafenlohrtals verantwortlich war. „Sie denken tatsächlich, die Gegend, in der sie wohnen, gehört ihnen“. Er sieht Deutschland in der Pflicht voranzugehen: „Wir als hochentwickeltes, schwerreiches Land müssen den andern zeigen, dass es auch mit weniger geht“. Auch die Aschaffenburger Landtagsabgeordnete Martina Fehlner ist eine große Fürsprecherin des geplanten Reservats: „Mit dem erhöhten Schutz der wertvollen Buchen- und Eichenwälder würde der Spessart einen noch größeren Beitrag für den Klimaschutz leisten und gleichzeitig die Lebensqualität ihrer Bewohnerinnen und Bewohner steigern. Durch das Ziel des langfristigen Erhalts der Kulturlandschaft in der geplanten Schutzzone und dadurch, dass etwa Forst- und Landwirte vor Ort gewinnbringend mit an Bord genommen werden, wäre ein Biosphärenreservat im Spessart zudem sozial verträglich und wirtschaftlich nachhaltig.“ Bessenbachs Bürgermeister Christoph Ruppert steht dem Projekt ebenso offen gegenüber und findet die Vorgehensweise im Vergleich zu damals besser: „Wie im Kreisverband des Bayerischen Gemeindetags mit den anderen Kommunen abgestimmt, finde ich es aber auch wichtig, dass die Kommunen in den Prozess intensiv eingebunden werden“.

Chance oder Fluch?

Schönauer sieht das Projekt außerdem als Chance für den Spessart. „Wir müssen den jungen Leuten etwas bieten“, weist er auf den zunehmenden Altersschnitt in den Gemeinden hin. Durch das Biosphärenreservat soll der Spessart noch attraktiver für Touristen werden. Dadurch würde auch das regionale Handwerk gestärkt, sowie neue Arbeitsplätze geschaffen werden. „Nicht zuletzt wäre ein Biosphärenreservat - wie das Beispiel der Rhön anschaulich zeigt - ein wahres Aushängeschild für die Region und würde auch den Tourismus ganz neu beleben. Darüber würde ich mich als tourismuspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion natürlich sehr freuen“, pflichtet Martina Fehlner bei. Christian Schreck stellt dabei aber die Frage, ob man diese Art des Tourismus überhaupt möchte. „Der softe Tourismus, den wir gerade haben, tut uns gut. Wenn die ganzen Leute mit dem Auto zu uns ins Biosphärenreservat kommen, macht das für mich keinen Sinn. Wenn Biosphärenreservat, dann für die Natur und nicht für das Geld“, äußert sich Schreck abschließend. Mit der Machbarkeitsstudie gehen die Verantwortlichen einen guten Weg, der transparent ist und versucht, auf die Bedürfnisse aller beteiligten einzugehen. Wenn die Meinungen im Spessart gehört werden, steht also einer ökologisch wertvollen Zukunft unseres Waldes nichts im Wege.

KW49 Biosphaerenreservat1
Christian Schreck
KW49 Biosphaerenreservat2
Edgar Väth
KW49 Biosphaerenreservat3
Sebastian Schönauer
Martina Fehlner
Christoph Ruppert