• Frequenzen: 100,4 & 99,4 & 90,8
  • Funkhaus Tel 06021 – 38 83 0
  • Kontakt

On Air

Jetzt anhören

Sterben unsere Metzger und Bäcker aus? So retten wir das Traditionshandwerk!

19.12.2021, 07:00 Uhr in News
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 5

BAYER. UNTERMAIN (acm). Sie sind die Ersten, bei denen in den Häusern nachts das Lichter angehen, um uns früh morgens schon mit frischem Brot und Brötchen den Start in den Tag zu verschönern oder uns die Wurst und das Fleisch für die Arbeit vorzubereiten. Die Metzger und Bäcker in unseren Städten und Gemeinden gehören einfach zum alltäglichen Einkauf dazu. Selbst in den kleinsten Orten war das Traditionshandwerk früher nicht wegzudenken. Jetzt stehen vielerorts im PrimaSonntag-Land die Läden leer. Kunden kaufen im Supermarkt gleich die Ware mit ein, der Extra-Gang zum Laden um die Ecke wird sich erspart und es ist meist sogar billiger. Doch so sterben unsere Bäcker und Metzger aus. Es gibt allerdings auch Beispiele, wie es anders geht…

Man ertappt sich gerne dabei: Aus Bequemlichkeit möchte man seinen Wocheneinkauf direkt mit einem Aufwasch erledigen – und nicht nochmal extra woanders hinfahren. „Das ist aber kein neues Problem, das hat alles in den 70er/80er Jahren angefangen, als es den Supermarkt-Boom gab“, erklärt Marco Häuser, Geschäftsführer der Metzgerei Häuser. Er versucht, mit seiner Metzgerei dem Aussterben entgegenzuwirken. Denn einige Metzgereien, die ihren Betrieb aus verschiedenen Gründen einstellen müssen, werden von dem regionalen Familienunternehmen weitergeführt. Mit insgesamt 17 Verkaufsstellen ist jüngst erst eine Häuser-Filiale in Schöllkrippen entstanden, auch in Mainaschaff findet sich seit kurzem eine weitere.

Auch immer weniger Bäcker

Das Problem der Filialschließungen betrifft aber nicht nur die Metzgereien - auch das klassische Bäcker-Handwerk leidet darunter, wie die Bäckerei Wissel in Aschaffenburg. Vor drei Jahren hat die Geschäftsführerin Evi Wissel ihre Öffnungszeiten auf nur noch zwei Tage in der Woche reduziert. Die Parkplatz-Möglichkeiten vor dem Laden sind schlagartig reduziert worden – damit kamen auch plötzlich weniger Kunden in die Bäckerei. Dazu kommt: Evi Wissel musste den Laden alleine stemmen - ihre Frau hat dafür keine Zeit mehr und ihr Bruder kann aufgrund von Verletzungen auch nicht mehr mithelfen. Ein weiteres Problem: Beim Arbeitsamt finden sich heutzutage kaum noch gelernte Bäcker, „Im Jobcenter haben sie regelrecht gelacht!“, so Wissel über ihre Suche nach Fachkräften. Bis zum Jahresende nimmt sie noch einzelne Bestellungen an. Brot, Geburtstagstorten oder Christstollen. Danach gibt sie die Familien-Bäckerei endgültig auf.

Mindestens 20 Metzger und 8 Bäcker geschlossen

Bei uns in der Region ist der Rückgang auch deutlich zu spüren: In den meisten Gemeinden und Städten sind im letzten Jahrzehnt Bäckereien und Metzgereien geschlossen worden. Natürlich sind auch wieder Verkaufsstellen geöffnet worden – trotz allem sind es heute mindestens 20 Metzgereien und acht Bäckereien weniger als noch vor zehn Jahren. „Ganz klar werden die Bäcker und Metzger im eigenen Ort sehr vermisst!“, so Wolfgang Grimm, Geschäftsleiter der Gemeinde Faulbach. Hier sind in den letzten Jahren zwei Bäckereien weggefallen und eine Metzgerei umgesiedelt. Aber warum schließen so viele Betriebe? Klar ist: Meist liegt es am hohen Alter der Chefs, die dann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterarbeiten können. Die Suche nach Nachfolgern bleibt in vielen Fällen auch erfolglos: „Der Beruf wird immer weniger wertgeschätzt, vor allem das frühe Aufstehen ist vielen ein Dorn im Auge“, meint Christiana Büdel von der Bäckerei Büdel in Wiesen. Nach über 170 Jahren wird auch ihre Bäckerei Ende des Jahres schließen – aufgrund fehlender Nachfolger. In der Stadt Aschaffenburg kann man einen Rückgang von rund 33 Prozent erkennen: „Weniger Auszubildende führen natürlich auch dazu, dass weniger junge Menschen ihre Meisterausbildung in Angriff nehmen. Und dies führt zwangsläufig zu einem Mangel an potenziellen Betriebsnachfolgern. Die Folge: Eine Abnahme an Betrieben“, erklärt uns Daniel Röper von der Handwerkskammer Unterfranken.

Das Handwerk modernisieren

Ein Beispiel gegen das Aussterben ist Jan Burean von „Why not deli“ in Aschaffenburg: Mit seiner Metzgerei führt der 39-Jährige seit August das Handwerk motiviert weiter. Er hat die leerstehende Metzgerei in der Dalbergstraße gesehen und sich überlegt, was er als Koch daraus machen kann. In der jetzigen Filiale versucht er, traditionelles Wurst- und Fleisch-Handwerk mit modernen Techniken zu verbinden und etwas Neues zu kreieren. Auch ein großes Thema: die Nachhaltigkeit! Fast alles soll vom Tier verwertet werden, sodass möglichst wenig Abfall entsteht. Auch die Bäckerei „Gabis Backstube“ in Kahl führt ihren Betrieb erfolgreich weiter. Erst diese Woche ist sie als eine der besten bayerischen Bäckereien ausgezeichnet worden. Gabriele Gerner-Dölger führt ihre Backstube seit 1990 zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Kahl und Großkrotzenburg. „Regionalität ist uns wichtig – wir sind aus der Region, für die Region, wir sind die Region“, so die Bäckerin. Die Schwierigkeit liege darin, dass ein Generationenwechsel stattfindet – die älteren Kunden sterben und man muss neue junge für sich gewinnen. Das tut die Familie bisher erfolgreich. Auch wenn immer weniger Menschen das Bäckerhandwerk lernen möchten, sieht die Chefin einen Vorteil in ihrer Dorfbäckerei: „Dadurch, dass wir im selben Haus backen, in dem wir auch verkaufen, müssen wir nicht so früh anfangen zu arbeiten wie manch anderer Bäcker!“

Neue Ideen, Kreativität, den Kunden einen Grund geben, ihren Dorfmetzger- oder -bäcker zu besuchen - das sind Zutaten für das Erfolgsrezept, um die Filialen vom Aussterben zu bewahren. Jeder kann etwas tun, wie Daniel Röper von der Handwerkskammer Unterfranken erklärt: „Weiterhin beim handwerklichen Bäcker oder Metzger einkaufen. Das stärkt die Betriebe. Und starke Betriebe haben Anziehungskraft auf potenzielle Auszubildende.“

KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 2
Die Bäckerei Büdel in Wiesen schließt zum Jahresende
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 1
Das Brot der Bäckerei Büdel war bis nach Würzburg bekannt
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 4
Metzger Marco Häuser möchte dem Aussterben entgegenwirken
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 6
Auch die Familien-Bäckerei Wissel in A'burg muss schließen
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 7
Viele Filialen stehen leer – Nachfolge findet sich selten.
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 8
Metzgerei Heilmann in Albstadt liefert nur noch Bestellungen
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 9
Jan Burean führt seit August seine moderne Metzgerei
KW50 Aussterben Baeckereien Metzgereien 10
Gabi's Backstube aus Kahl erhält bayerischen Staatspreis