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Unsere Bauern hilflos im Hamsterrad!

20.03.2022, 06:00 Uhr in News
KW11 Bauer NEU
Klaus Roßmann vom Tannenhof in Hörstein

BAYER. UNTERMAIN (jm). Die Landwirtschaft ist eine der ältesten Berufsbranchen der Welt - früher höchst angesehen, heute mit existenziellen Problemen! Personalsorgen, anspruchsvolle Bürokratie und die hohe Belastung sind nur einige Gründe, die Landwirte körperlich und psychisch in die Knie zwingen. Ein Fall aus dem mittelfränkischen Rothenburg ob der Tauber sorgte vergangenes Jahr deutschlandweit für Aufsehen, als 150 Rinder qualvoll verendeten und sich hinterher herausstellte, dass der Landwirt aufgrund von massiver psychischer Probleme seine Tiere vernachlässigt hatte. Welche Auswirkungen hat die Situation in der Landwirtschaft auf die immer noch aktiven Bauern in unserer Region?

„Das Problem ist, dass der Landwirt nicht weiß, wo es in Zukunft sicher hingeht“, erklärt Klaus Roßmann. Er führt den Tannenhof in Hörstein, der sich auf Ackerbau und Schweinemast spezialisiert hat. Der Hof beinhaltet auch eine Pferdepension mit rund 20 Pferden, der in Zusammenarbeit mit seiner Nichte geführt wird. „Der Landwirt ist von seiner Grundstruktur her kein Unternehmer“, erzählt Roßmann. „Es ist jemand, der mit der Natur verbunden ist, der gerne zu seinen Tieren geht und einfach seine Außenwirtschaft gerne betreibt. Aber plötzlich dreschen ganz neue Aufgaben auf ihn ein.“ Steigende Bürokratie, jedes Jahr neue Auflagen, Anträge, Vermarktung von Produkten - alles Dinge, die den Landwirt belasten. „Es gibt ja auch viele Ältere in diesem Beruf“, beschreibt der 55-Jährige. „Als sie anfingen, gab es das ja alles noch nicht. Sie haben eine gute praktische Ausbildung bekommen und müssen sich jetzt mit Sachen herumschlagen, die nach all den Jahren komplett neu sind.“ Der Fachkräftemangel stellt ebenfalls ein Problem dar: Die Belastung des Einzelnen steigt. Auch die Preissteigerungen setzten den Bauern schwer zu, beispielsweise hat sich der Preis für Dünger verfünffacht. „Das sind alles Sachen, die Landwirte körperlich und psychisch belasten!“ Aus seiner Sicht hat die Landwirtschaft noch so viel ungenutztes Potential, gerade mit Blick auf Energiegewinnung.

Dramatische Verschlechterung

Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein Problem, das unter dem Radar läuft. „Bei Beratungen an der Geschäftsstelle stellen wir fest, dass sich viele Personen in den landwirtschaftlichen Familien hilflos in einem Hamsterrad fühlen“, berichtet Elmar Konrad vom Bayerischen Bauernverband. „Egal wie schnell sie auch rennen, sie können ihr Ziel nicht erreichen!“ Fleißige landwirtschaftliche Familien müssen um ihr Einkommen fürchten und die mittel- und langfristige Sicherheit bei den großen Investitionen, die sie schultern müssen, fehlt. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. „Die wichtige und nachhaltige Arbeit vieler Landwirte sind durch Kampagnen wie ‚Rettet die Bienen‘ oder auch Tierhaltungsskandalen allgemein schlecht geredet worden“, fürchtet Konrad. Andererseits würde von Landwirten deutlich mehr verlangt werden, als viele Bürger selbst bereit sind zu geben. Das schließt auch die Bereitschaft mit ein, an der Ladentheke für mehr Umweltschutz und Tierwohl auch mehr zu bezahlen. Laut Konrads Einschätzungen kämpfen rund 2/3 aller Bauern am Untermain unter diesen Problemen, mal stärker, mal weniger stark, bis hin zu Burnouts. „Generell ist das Risiko für Burnout oder Depression höher, wenn der Betroffene wenig Kontrolle über die eigene Situation hat“, erklärt Jürgen Junker, Diplompsychologe aus Aschaffenburg. Auch auf die wirtschaftlich bedrohliche Lage wird oft mit mehr Anstrengung reagiert. „In unserer Region sind viele Landwirte doppelt belastet, da sie oft neben der Landwirtschaft noch andere Jobs haben, um sich überhaupt über Wasser halten zu können.“

Ungewisse Zukunft

Auch in der Politik verdient dieses Thema längst mehr Gehör. Die Aschaffenburger Landtagsabgeordnete Martina Fehlner ist Mitglied im Landwirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtages und sich dieser Probleme durchaus bewusst. Eine Reduzierung auf gestiegene bürokratische Anforderungen greift ihr dabei zu kurz. „Ich bin der Ansicht, dass der maßgebliche Schlüssel zur Entspannung bei fairen, kostendeckenden Preisen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse liegt“, so Fehlner. Denn Betriebe, die ein angemessenes Einkommen erwirtschaften können, haben die Möglichkeit, zusätzliches Personal einzustellen und auch Erholungsurlaub zu machen. Außerdem müsse sich die europäische Agrarpolitik dahingehend verändern, die Fördermittel deutlich weniger an die bloße landwirtschaftliche Fläche zu binden, um damit kleine und mittelständische Betriebe besser zu unterstützen. Klaus Roßmann sieht dringenden Handlungsbedarf. „Wenn es so weitergeht wie bisher, werden immer mehr Betriebe schließen und Flächen verloren gehen“, fürchtet der Hörsteiner. „Dadurch würden wir uns, in Bezug auf die Ernährung, noch mehr von anderen Ländern abhängig machen!“

Elmar Konrad vom Bayerischen Bauernverband
Jürgen Junker, Psychologe aus Aschaffenburg
Martina Fehlner, Landtagsabgeordnete aus Aschaffenburg