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Ist unsere Kultur nichts mehr wert? - Deutschlands härteste Regeln machen Kultur-Branche fassungslos

16.01.2022, 07:00 Uhr in News
Symbolbild Kino

BAY. UNTERMAIN (dmk). Auf und hinter den Bühnen am Bayerischen Untermain konnte man sich diese Woche nur wundern! Während die Kulturtreibenden in Bayern seit Wochen von den bundesweit härtesten Einschränkungen betroffen sind, bleibt ausgerechnet hier die Gastronomie von der 2G-Plus-Regel verschont. Bei aller Freude für die Kollegen: In den Kino-, Konzert- und Theatersälen kommt man sich ordentlich verschaukelt vor! Deshalb fragt jetzt PrimaSonntag: Hat die Kultur keine Lobby?

Die Pressekonferenz nach der bayerischen Kabinetts-Sitzung war kaum beendet, da platzte Claus Berninger vom Aschaffenburger Colos-Saal schon ordentlich der Kragen: Bei der Gastronomie gebe es Entgegenkommen, bei der Kultur bleibe es beim „De-Facto-Lockdown“, zeigt sich Berninger ernüchtert, „das hat keine Logik mehr und muss dringend nachgebessert werden.“ Ähnlich fällt in den sozialen Netzwerken auch die erste Reaktion von Mike Bauersachs vom Kulturkreis Zehntscheuer in Amorbach aus: Da der bayerische Sonderweg bei der Gastronomie genau in die entgegengesetzte Richtung laufe wie bei der Kultur, „wird einmal mehr deutlich, wo die Prioritäten liegen - langsam wird’s albern!“

„Schlag ins Gesicht“

Unverständnis über diese Ungleichbehandlung herrscht auch bei Sven Holl, dem Betriebsleiter vom Casino-Filmtheater in Aschaffenburg: „Obwohl verschiedene Studien in den vergangenen zwei Jahren immer wieder hervorgebracht haben, dass eine Ansteckung im Theater oder Kino bei gut umgesetzten Hygienekonzepten nahezu unmöglich ist (bisher gab und gibt es keinen Fall einer Ansteckung in einem Kino), wird die Kultur nicht nur mit 2G+ gegängelt, sondern auch mit einer Auslastung von maximal 25 Prozent an den Rand des Konkurs gebracht.“ Wie das bei Holl ankommt? „Für uns ist es ein Schlag ins Gesicht der Kulturtreibenden!“

Runder Tisch am Tag danach

Wirtschaftsminister Aiwanger und Staatsminister Herrmann zeigten sich bereits bei ihrer Verkündung einsichtig, dass die Ungleichbehandlung der Kultur nicht mehr vermittelbar sei. Entsprechend trafen sich fünf Fachminister unter der Woche auch mit Vertretern der Kultur-Branche zu einem Runden Tisch, um die Wogen etwas zu glätten. Bleibt bloß die Frage: Warum erst danach? Für die Opposition ist das gefundenes Fressen: „Wie die Prioritäten dieser Staatsregierung sind, das kann man sich leider denken, wenn man hört, dass der zuständige CSU-Minister die Kulturszene einen Tag nach den Kabinettsbeschlüssen trifft“, folgert Sanne Kurz, die kulturpolitische Sprecherin der Grünen.

Nachbesserungen angekündigt

Glaubt man dem angesprochenen Minister Sibler, dürfte aber spätestens nächste Woche die Kultur-Gesprächsrunde zu Ergebnissen im Kabinett führen: „Auch wenn Omikron die Infektionslage nochmals verändert hat und wir das natürlich genau beobachten müssen: Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir die aktuelle Situation für unsere Kulturschaffenden verbessern und Erleichterungen schaffen“, so der Kunstminister. Und auch die für die Kinos in Bayern zuständige Digitalministerin Judith Gerlach aus Weibersbrunn macht Sven Holl & Co. Hoffnung! Sie begrüße den Austausch mit den Kinoverbänden, „um die Position der Kinos in die künftigen Entscheidungsfindungen der Staatsregierung eng einzubeziehen.“ Der Aufschrei der Kultur scheint also Wirkung zu zeigen. Jetzt dürfen wir gespannt darauf warten, ob sich die Situation unserer Kinos, Musik- und Theater-Bühnen auch tatsächlich schnell ändert!

Sven Holl (Betriebsleiter Casino-Filmtheater Aschaffenburg)
Sven Holl (Betriebsleiter Casino-Filmtheater Aschaffenburg)
Judith Gerlach (Bayerische Digitalministerin)
Judith Gerlach (Bayerische Digitalministerin)
Bernd Sibler (Bayerischer Kunstminister)
Bernd Sibler (Bayerischer Kunstminister)
Sanne Kurz (Kulturpolitische Sprecherin der bayerischen Grünen)
Sanne Kurz (Kulturpolitische Sprecherin der bay. Grünen)
Claus Berninger (Inhaber Colos-Saal Aschaffenburg)
Claus Berninger (Inhaber Colos-Saal Aschaffenburg)
Mike Bauersachs (1. Vorsitzender Kulturkreis Zehntscheuer Amorbach)
Mike Bauersachs (Vorsitz Kulturkreis Zehntscheuer Amorbach)