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„Wir hatten Todesangst!“

23.01.2022, 06:00 Uhr in News
KW03 Ahrtal 1

ASCHAFFENBURG/AHRTAL (jm). Die Flutkatastrophe im Ahrtal liegt nun schon knapp ein halbes Jahr zurück. Hören wir die Geschichten und Schicksale der Familien, stockt uns aber nach wie vor der Atem. Familie Steffes ist eine von ihnen. Christine Kress aus Goldbach ist Patin der Familie, die Opfer des schrecklichen Hochwassers wurde. Derzeit ist die vierköpfige Familie in Aschaffenburg bei ihrer Spenderin zu Besuch. Im Gespräch mit PrimaSonntag sprechen Sandra und Andy über ihre dramatische Geschichte und wie ihnen die Aktion „5 Euro Haus“ weiterhilft.

Es ist ein trüber Nachmittag, als wir Familie Steffes auf dem Schlossplatz in Aschaffenburg treffen. Eigentlich ist das Ehepaar mit ihren drei Kindern in Bad Neuenahr im Ahrweiler zuhause. Im Mai 2000 gründeten die Eltern ihre podologische Praxis. Vor drei Jahren schien das Familienglück perfekt – Sohn Nico kam auf die Welt! Ab da an musste sich die Familie natürlich vergrößern. Sie schafften einen Durchbruch der beiden Häuser, um die Praxis zu erweitern und eine Wohnung einzurichten, damit Sandra neben der Praxisarbeit im hinteren Teil die Familie versorgen konnte. Im Mai letztes Jahr waren sie gerade mit dem Umbau fertig und konnten einziehen. Im August war ein Termin mit der Versicherung vereinbart. Die Familie wollte sich absichern, schließlich ist Hochwasser an der Ahr nichts Neues. Zu diesem Termin sollte es allerdings nie kommen!

Dunkelheit und Stille

Es schien ein ganz normaler Tag zu sein. Damals ahnte noch keiner, welch schicksalhaftes Ende der 14. Juli nehmen sollte. Es regnete schon den ganzen Tag, der Pegel der Ahr stieg leicht an. Die Familie beobachtete, wie das Wasser immer und immer weiter stieg und sich dem Haus näherte. Gegen 23 Uhr fiel der Strom aus – das Drama nahm seinen Lauf! Gemeinsam mit Sohn Fabian versuchte Andy immer mehr Gegenstände aus dem Untergeschoss zu retten, im ersten Stock eine aufgelöste Mutter mit einem weinenden Kind. Es gab keinen Notruf mehr, alles war ausgefallen. Sandra schrie nach ihrem Mann, der bereits bis zur Brust im Wasser stand. „Er war im Schock. Er konnte mich nicht mehr hören“, erinnert sich Sandra. Die Familie zog sich in die Schlafzimmer unter dem Dach zurück. Es war dunkel und still, nur das Wasser, das langsam die Treppenstufen nach oben stieg, war zu hören. „Zum ersten Mal in meinem Leben verspürte ich Todesangst“, schaudert die Podologin. Ab 4 Uhr morgens fiel die Ahr langsam ab. Auch die Nachbarn machten Unvorstellbares in der vergangenen Nacht durch. „Mein Cousin ist in der Garage ertrunken und zwei Freunde von uns sind im Auto gestorben“, erzählt Andy. Der Familie wurden ihr Heim und ihre Lebensgrundlage genommen. Die Fünf standen vor dem Nichts!

Große Solidarität

Zunächst kamen die Steffes bei Sandras Eltern unter. Im September trat dann Christine Kress aus Goldbach in das Leben der Familie. „Ab da hat sich plötzlich alles verändert“, erinnert sich Sandra. Christine ist ebenfalls Podologin - das Ahrtal ließ sie nach ihrem Besuch nicht mehr los. „Es ist wie eine Sucht. Jeder, der einmal hier war, kommt wieder“, beschreibt es die Goldbacherin. Wieder zuhause, wollte sie der Familie weiterhin helfen. Sie startete eine Patenschaft beim „5 Euro Haus“ für die Familie. Dabei spendet sie den Steffes monatlich 5 Euro. Mittlerweile hat die Podologin in ihrem Bekanntenkreis ein Netzwerk aktiviert, dass sich ebenfalls dem „5 Euro Haus“ angeschlossen hat. „Ich wüsste nicht, wo wir ohne sie wären“, bedankt sich Andy. „Wir verdanken ihr so viel!“ Es ist noch ein weiter Weg zur Normalität für die Familie. „Es wird sicher noch ein halbes Jahr dauern, bis unser Haus wieder bewohnbar ist. Doch bevor es wieder auf die Baustelle geht, wollen sich die Steffes erstmal ein Wochenende Auszeit in Aschaffenburg gönnen. „Der erste Eindruck hier ist sehr gut“, schwärmt Sandra. „Es tut gut, wieder eine Stadt zu sehen, die nicht in Trümmern liegt!“

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