Wir leben auf uralten Menschen-Skeletten!
BAYER. UNTERMAIN (dmk). Ein herbstlicher Nachmittag wie wir sie lieben: Unzählige Bürger schlendern durch die Aschaffenburger Altstadt, vorbei auch an der altehrwürdigen Stiftskirche. Was viele dabei nicht wissen: Nur wenige Meter unter ihren Füßen befinden sich die Gräber etlicher Toter! Tag ein, Tag aus leben und wandeln wir auf den uralten Skeletten längst verstorbener Menschen - und das nicht nur in Aschaffenburg…
Egal ob Elsenfeld, Kahl oder Obernburg: Unsere Gemeinden haben oft mehr „Bewohner“ als man wohl so denken würde. Denn: Einige liegen metertief unter dem Erdboden - und sind längst verwest. Aber wie kommt es dazu? „In mittelalterlichen, katholischen Kommunen ist das üblich“, erklärt Markus Marquart, Archäologe der Museen der Stadt Aschaffenburg. In der Stadt lebten damals schätzungsweise rund 6.000 bis 7.000 Menschen. „Damals lagen die Friedhöfe rund um die Pfarrkirchen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden diese verlegt - die ehemals Bestatteten blieben aber liegen“, erklärt Marquart.
Viele
Friedhöfe betroffen
In
Aschaffenburg ist das an gleich drei Orten so: Bei der
Stiftsbasilika, aber auch im Umfeld der Pfarrei St. Agatha und der
Muttergottespfarrkirche liegen bis heute Skelette konserviert.
Besonders interessant sind die Funde an der Stiftsbasilika: „Dort
in den Stiftergräbern lagen an der Nordseite Königin Liutgard, die
um 874 den Karolinger König Ludwig III. in Aschaffenburg heiratete,
und ihre Tochter, die Äbtissin Hildegard“, so Marquart. Die hat
man 1956 geöffnet und Knochen im anthropologischen Institut in Mainz
untersuchen lassen. „Offensichtlich wurden die Knochen aber zu spät
wieder zurückgeliefert.“ Im Jahr 1994 dann die Entdeckung:
Marquardt und ein Kollege fanden die fehlenden Knochen im
Museumsdepot – in einer Pappschachtel! Doch sind es wirklich die
sterblichen Überreste von Königen Liutgard und ihrer Tochter?
Eigentlich ergab eine Radiocarbon-Untersuchung in Mannheim, dass die
Knochen 200 Jahre zu alt sind. „Der gesunde und der katholischen
Lehre entsprechende Lebenswandel mit viel Fisch-Konsum lässt das
Radiocarbon-Datum im Vergleich zur Umwelt altern“, klärt Marquart
auf. Darum wurde in Jena ein Forscher dafür begeistert, die „Ancient
DNA“ zu analysieren, um familiäre Verbindungen nachzuweisen. Mit
genau der Technik, mit der auch die Verwandtschaft zwischen den
Neandertalern und dem modernen Menschen nachgewiesen wurde. Ein
seltener Fall: „Im Moment gibt es in ganz Europa nur drei Fälle,
in denen an Hand von alter DNA historische Personen miteinander
verbinden lassen können“. Mit Spannung erwartet man im
Stiftsmuseum die Ergebnisse in Jena.
„Wir stoßen bis heute auf Knochen!“
Ein weiterer besonderer Fall: Das Areal um die Dorfkirche St. Gertraud in Elsenfeld. „Bei Bauarbeiten in der Vergangenheit ist man immer wieder auf Gebeine gestoßen, 1937 bei Ausschachtungsarbeiten unter der Sakristei sogar auf einen Sandsteinsarkophag mit vollständig erhaltenem Skelett, das vom damaligen Pfarrer nachbestattet wurde. Dieser Sarkophag wurde danach offenbar wieder mit Skelettresten gefüllt, die bei Bauarbeiten auftauchten, was wir erst kürzlich entdeckt haben“, erklärt Joachim Oberle, 2. Vorsitzender des örtlichen Heimat- & Museumsvereins. „Bei Baumaßnahmen stößt man bis heute noch immer auf die Überreste von Bestattungen“, so Oberle weiter. Im Kreis Miltenberg gibt es aber noch einen anderen Ort mit spektakulären Funden. So finden sich in Obernburg auch heute noch etliche Fundstücke aus der Römerzeit – teilweise perfekt erhalten! Von Grabsteinen bis zu Säulen und Schmuckstücken ist dort dann alles dabei - knapp 1.500 Einwohner soll Obernburg zur Römerzeit gehabt haben. Ein Teil der römischen Geschichte wurde im sogenannten „Pompeji am Main“ ausgegraben und ist im Römermuseum zu finden, ein anderer Teil liegt aber noch heute unter der Stadt - und bleibt dort womöglich, wie auch an anderen Stellen unserer Region, für immer im Dunkeln verborgen…