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"Wir sind keine Terroristen"

15.01.2023, 06:30 Uhr in News
KW02 Klimakleber Titel

ASCHAFFENBURG (mz).Für die einen sind sie engagierte Aktivisten, die für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen kämpfen, für die anderen sind es Straßenkleber, Nervensägen und auch Kriminelle. Sich auf vielbefahrene Straßen zu kleben für mehr Klimaschutz? Die Aktionen der „Letzten Generation“ polarisierten gerade in dieser Woche wieder bei der Besetzung und den Protesten im Braunkohle-Dorf Lützerath. Prima Sonntag lässt Anhänger und Kritiker der Organisation sowie Leser zu Wort kommen.

„Klimaterroristen“ - so lautet das Unwort des Jahres 2022. Aktivisten würden mit Terroristen gleichsetzt werden, um so Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, heißt es in der Begründung der Jury. „Das hat mich sehr gefreut. Es ist ein Zeichen gegen die Diffamierung der Klimagerechtigkeitsbewegung. Wir sind keine Terroristen“ sagt uns Raphael V., Aktivist der „Letzten Generation“. Er studiert eigentlich Schauspiel, doch seit Mai vergangenen Jahres ist er Teil der radikalen Klimaschützer. „Andere Klimaschutzorganisationen, in denen ich auch aktiv war, sind mir nicht effektiv genug. Wir rasen mit einem Wahnsinnstempo auf eine Klimakatastrophe zu. Die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen werden zerstört. 2019 waren in Berlin 1,4 Millionen Personen auf der Straße - das Ergebnis war ein Verbot von Plastiktüten.“ Für mehr Klimaschutz klebt sich V. nun auf die Straße. „Auf der Straße sind wir oft mit Hass konfrontiert, manchmal auch mit körperlicher Gewalt, aber es gibt auch zahlreiche Solidaritätsbekundungen. Besonders in Erinnerung blieb mir eine ältere Frau, die uns inmitten von viel Hass Blumen geschenkt hat. Da sind mir die Tränen gekommen.“

KW02 Klimakleber 1
Raphael von der „Letzten Generation“. Foto: Benjamin Rückert

Unterstützen oder
bestrafen?
Auch die Politik streitet aktuell um den richtigen Umgang mit den radikalen Klimaaktivisten. Während die eine Seite Verständnis für die Wut der Aktivisten hat, fordert die andere Seite härtere Strafen gegen die sogenannten „Klimakleber“. „Sich an die Straße zu kleben, wäre nicht meine Aktionsform, aber den Schritt zu drastischeren Mitteln kann ich schon verstehen“, sagt Andreas Adrian, Kreisvorsitzender der Linke Aschaffenburg-Miltenberg. „Die Folgen des klimapolitischen Nichtstuns werden wir alle ausbaden müssen.“ Scharfe Kritik übt er an einigen Vergleichen in der Debatte. „Wenn diese Menschen mit Reichsbürgern verglichen werden, die versucht haben, den Staat zu stürzen, auch bewaffnet, dann ist das eine völlig absurde Debatte.“ Anders sieht das Lukas Bohn, Direktkandidat der FDP Aschaffenburg-West. „In meinen Augen sorgen die konkreten Aktionen eher für ein größeres Unverständnis. Sie erweisen diesem sehr wichtigen Thema einen Bärendienst.“ Bohn fordert die Debatte rund um den Klimaschutz weniger emotional zu führen. „Die Politik sollte weiterhin auf wissenschaftlichen Grundlagen handeln. Technologie und Innovationen für den Klimaschutz sind der Kitt der Gesellschaft.“ Sein Rat an die Aktivisten: Unterlasst die Blockaden! „Spätestens wenn Personen nicht schnell genug ins Krankenhaus gebracht werden können, sollte allen bewusst werden, dass das kein Kavaliersdelikt ist“.

Streit über
Präventivhaft
Ganz ähnlich sieht das offenbar auch die bayerische Landesregierung. Sie verhängte gegen einige Aktivsten bereits Präventivhaft. Richtige Entscheidung, heißt es aus der Aschaffenburger FDP. „Auch der gute Zweck heiligt die Mittel nicht. Wir haben in Deutschland immer noch einen Rechtsstaat, der sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen sollte. Die Aktivisten sollten die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“ Widerspruch erntet Bohn nicht nur von Aktivisten, sondern auch aus der Linken. „Das ist vollkommen lächerlich. Es ist genau das eingetreten, was wir befürchtet haben. Aus politischen Gründen werden Leute eingesperrt. Und ich spreche da auch ganz klar von politischen Gefangenen“, schimpft Andreas Adrian. Auch V. verbrachte bereits drei Tage in einer JVA. „Für mich war das annehmbar. Ich hatte Zeit, ein Buch zu lesen und etwas zu schreiben. Trotzdem: Eine Kur war das nicht.“ Für den 25-Jährigen ist eine mögliche Haftstrafe kein Grund, mit den Protesten aufzuhören. „Im Kampf für Klimagerechtigkeit nehme ich auch das Gefängnis in Kauf.“

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Andreas Adrian (Linke)
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Lukas Bohn (FDP)

DAS SAGEN DIE PRIMASONNTAG-LESER

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Sigi Roch aus Großwallstadt

„Da habe ich persönlich kein Verständnis. Es gibt auch andere Formen von Demonstrationen, als andere Leute auf dem Weg zur Arbeit drangsalieren.“

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Walter Vogel aus Bessenbach

„Man kann es teilweise verstehen, es ist aber schon etwas überzogen. Die Leidtragenden sind die Menschen, die dringend irgendwo hin müssen.“

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Ottfried Schmidt aus Niedernberg

„Ich finde das sehr positiv, ich kann die Leute nur unterstützen. Sie setzen sich für das richtige Thema ein und sie machen Aktionen, die sinnvoll sind.“

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Petra Noe aus Aschaffenburg

„Die sind bekloppt. Wenn man mit dem SUV zur Demo fährt und holt dann sein Handy raus und telefoniert - dann passt das nicht zusammen.“