Theater: Corpus Delicti von Juli Zeh
Theater der Altmark
Inszenierung: Jochen Gehle
Das perfekte Leben für jeden Menschen, Gesundheit und dadurch Glück – das ist Ziel der METHODE, einem Rechtssystem, das im Jahr 2057 den Umgang der Bevölkerung miteinander reguliert. Genforschung, medizinische Früherkennung und strenge Hygienegesetze verhindern selbst den Ausbruch von Erkältungen – Gesundheitsoptimierung für das Allgemeinwohl. Das Regime wird unterstützt, denn es gilt als frei von jeglicher Ideologie und damit als unfehlbar. Auch die Biologin und Naturwissenschaftlerin Mia Holl ist Befürworterin der METHODE. Doch dann wird ihr rebellischer und dem System gegenüber kritisch eingestellter Bruder mit Hilfe genetischer Beweismittel des Mordes an einer Frau überführt. Trotz Beteuerung seiner Unschuld scheint die Rechtslage eindeutig und er begeht Selbstmord. Zweifel an dem Urteil führen dazu, dass Mia das System hinterfragt und eigene Nachforschungen anstellt, um die Unschuld ihres Bruders zu beweisen. Dabei vernachlässigt sie ihre Gesundheit, gerät wegen Gefährdung des Allgemeinwohls in das Visier der Justiz und wird schließlich zum Spielball eines Schauprozesses.
„Corpus Delicti“ ist spannendes Justizdrama und Polit-Thriller gleichermaßen und stellt zudem die Frage, inwieweit das Leben noch lebenswert ist, wenn einzig und allein die biologische Seite zählt. Juli Zeh entwirft das Bild einer Gesundheitsdiktatur im 21. Jahrhundert, in der das totalitäre Potential nicht aus einem offenen Machtwillen, sondern aus der vermeintlich positiven Fürsorge heraus entwickelt wird. Wie weit ist die Science-Fiction noch von der gelebten Gegenwart entfernt?