Mein Main - die natürliche Grenze des Römischen Reichs

OBERNBURG (hw).Unter den modernen Straßen Obernburgs schlummert ein historischer Schatz: Tief unter der Erde, verborgen unter dicken Lehmschichten, liegt ein römisches Kastell. Obernburg war einst Teil des Limes – jener Grenzanlage, die das Römische Reich vom sogenannten „Barbaricum“ abtrennen sollte. Doch anders als in vielen anderen Abschnitten wurde hier kein Holzzaun oder Erdwall errichtet, sondern der Main selbst diente als natürliche Grenze.
„Das war aber keine starre Grenze, sondern eher eine Verbindung“, erklärt Erik Erfurth, ehrenamtlicher Leiter des Römermuseums in Obernburg. „Die Römer haben Obernburg überhaupt erst auf die Karte gebracht. Vorher war das kein nennenswerter Ort.“ Etwa 192 nach Christus ließen sich rund 500 römische Soldaten mit ihren Familien in Obernburg nieder. Sie errichteten ein Kastell und sorgten dafür, dass das Gebiet florierte. Um das Militärlager herum entstand ein reges Treiben: Friseure, Bordelle und Wirtshäuser profitierten vom römischen Sold. Doch nicht nur Dienstleistungen blühten auf – auch der Handel florierte. Vor allem Holz aus den dichten Wäldern des Spessarts und Odenwalds wurde auf nahegelegenen Bächen wie der Elsava und der Mümling transportiert und schließlich auf dem Main verschifft. „Wir können tatsächlich nachverfolgen, dass Holz aus dem Spessart für Hafenanlagen in Bayern genutzt wurde. Die Römer haben immer auf lange Sicht geplant“, erklärt Erfurth. Auch der Sandsteinabbau spielte eine große Rolle - viele Steine wurden mit einem charakteristischen „Obernburger Kranz“ versehen und fanden Verwendung in römischen Bauwerken.
Wie eine Frischhaltefolie -
Das Kastell bleibt erhalten
Dass heute noch so viele archäologische Funde in Obernburg zu entdecken sind, liegt an einem glücklichen Zufall der Natur. Nachdem die Römer großflächig Eichen im Spessart abgeholzt hatten, verlor der Lehmboden seinen Halt. Durch einen Erdrutsch wurde das Kastell unter einer dicken Schicht begraben - und damit konserviert. „Das hatte tatsächlich einen ähnlichen Effekt wie die Asche in Pompeji“, erklärt Erfurth. „Diese Lehmschicht hat sich wie eine Frischhaltefolie um das Kastell gelegt. Dadurch konnten wir sogar noch gut erhaltene Essensreste aus der Römerzeit finden.“
Römische Spuren bis heute sichtbar
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches wurden die Soldaten aus Obernburg und dem benachbarten Niedernberg abgezogen. Doch was nicht unter der Lehmschicht verschwand, wurde in den folgenden Jahrhunderten weiter verwendet. Besonders im Mittelalter nutzten die Bewohner Obernburgs die übrig gebliebenen Sandsteine für neue Bauwerke. „Viele Grab- und Gedenksteine wurden als Fensterrahmen oder sogar in die Stadtmauer integriert“, erzählt Erfurth. Später, während der Renaissance, begannen die Obernburger, diese römischen Überreste bewusst als Schmuckelemente in Hausfassaden einzubauen. Bis heute sind die Spuren der Römer in Obernburg sichtbar. Die alten Kastellstraßen Via Principalis und Via Praetoria liegen exakt unter der heutigen Römerstraße und Badgasse. „Es ist etwas ganz Besonderes – wir leben hier wirklich auf einem archäologischen Schatz“, sagt Erfurth. „In der Quantität und Qualität der römischen Funde spielen wir hier in Obernburg definitiv Bundesliga.“ Die alte Geschichte unseres Mains sehen Sie kommenden Montag in der neuen Folge von „Mein Main“ auf primavera24.de