Der Tod kommt leise

BAYER. UNTERMAIN (ps). Der Fall von zwei Schwestern (sechs und sieben Jahre alt), die vergangenes Wochenende in einem Schweinfurter Badesee plötzlich untergegangen und kurze Zeit später an den Folgen gestorben sind, hat Menschen bundesweit erschüttert. Es ist nicht der einzige schreckliche Badeunfall, bei dem Menschen scheinbar aus dem Nichts ertranken - teilweise nur wenige Meter vom Ufer entfernt. Und auch bei uns - im Karlsteiner Weißsee - ist vergangene Woche ein Mann auf tragische Weise verunglückt und kurz darauf im Krankenhaus verstorben. Wie passiert so etwas und wie kann man helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen?
Zunächst gab es Hoffnung, nachdem ein 41-jähriger Mann im beliebten Großwelzheimer Weißsee vergangene Woche beim Schwimmen plötzlich untergegangen war. Mehrere Menschen sahen an diesem Tag, wie er untertaucht und danach nicht mehr hochgekommen ist. Sie fanden den Mann nach wenigen Minuten im Wasser, zogen ihn ans Ufer und begannen sofort mit der Wiederbelebung, bis der Notarzt eintraf. Der Mann kam schwer verletzt ins Krankenhaus, befand sich aber laut Polizei außer Lebensgefahr. Doch nur einen Tag später dann die traurige Nachricht: Der 41-Jährige hat es nicht geschafft, ist an den Folgen des Badeunfalls verstorben. Es sind Fälle wie diese, die uns fassungslos machen: Menschen gehen zur Abkühlung ins Wasser und ertrinken ganz plötzlich und für Außenstehende völlig unerklärlich. „Ertrinken geschieht sehr leise. Das ist nicht wie in vielen Hollywood-Filmen, dass die Person laut aufs Wasser schlägt und ruft. Ein Ertrinkender steckt seine ganze Kraft ins Überleben und hat gar keine Luft für lautes Schreien“, erklärt Cornelia Dreyer, Vorsitzende der Wasserwacht Hösbach.
Gefährlicher Sprung ins kühle Nass
„Es passiert leider schneller als man denkt, dass Menschen ertrinken“, erklärt Dreyer. „Oft sind es medizinische Ursachen wie Kreislaufprobleme, ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Außerdem gibt es da noch den plötzlichen Sauerstoffmangel durch Hyperventilation (schnelles, tiefes Einatmen).“ Viele junge Leute würden vor dem Tauchen hyperventilieren, um länger unter Wasser bleiben zu können. „Das kann aber dazu führen, dass der Atemreflex zu spät einsetzt und man unter Wasser bewusstlos wird. Unter Alkohol- und Drogeneinfluss zu schwimmen, sollte auch unbedingt vermieden werden.“ Ein weiterer Risikofaktor sei das Springen ins kühle Nass mit aufgeheiztem Körper. „Das kann extrem gefährlich sein. Es kann durch den Kälteschock zu einer reflexartigen Schnappatmung kommen - akute Gefahr, zu ertrinken. Zusätzlich belastet die plötzliche Abkühlung Herz- und Kreislauf und kann gerade bei vorbelasteten Menschen zu einem Herzstillstand führen. Es ist sehr wichtig, langsam ins Wasser zu gehen, damit der Körper sich daran gewöhnen kann.“
„Lebensgefahr selbst für erfahrene Retter“
Einfach zu jemandem hinschwimmen, der droht, unterzugehen, ist keine gute Idee - auch wenn es vielleicht für viele der erste Impuls ist. „Einem Ertrinkenden zu helfen, kann schnell gefährlich werden. Am allerwichtigsten ist, dass man so schnell wie möglich den Notruf über die 112 absetzt und sich die Stelle merkt, an der die Person ist, die Hilfe braucht, beispielsweise anhand von markanten Punkten in der Nähe wie einer Boje. Ertrinkende mobilisieren ungeahnte Kräfte und klammern sich an alles und jeden, sogar für erfahrene Retter kann Lebensgefahr bestehen, “ stellt Cornelia Dreyer klar. „Man sollte der Person etwas hinschmeißen, das Auftrieb hat, beispielsweise ein Paddel, eine Luftmatratze oder ein Brett. Und wenn man doch hinschwimmt, sollte man unbedingt so einen Gegenstand dabei haben, damit sich der Ertrinkende daran festhalten kann.“ Wer für den schlimmsten Fall besser gerüstet sein will, um helfen zu können, könne das Deutsche Rettungsschwimmabzeichen machen. „All unsere Wasserwachten im Kreis Aschaffenburg bieten entsprechende Kurse an. Außerdem dürfen Kinder - Nichtschwimmer oder auch noch Schwimmanfänger - niemals aus den Augen gelassen werden. Der Bademeister und die Wasserwacht ersetzen nicht die Eltern und deren Aufsichtspflicht.“
„Seepferdchen reicht nicht“
Für Steffi Konrad, Inhaberin der Aschaffenburger Schwimmschule Natare, ist es eine Herzensangelegenheit, dass Kinder richtig schwimmen lernen. „Studien der DLRG belegen, dass die Anzahl der nicht schwimmenden Kinder und auch Erwachsenen rückläufig ist“, erklärt sie. Dafür gebe es mehrere Gründe. „Zum einen gibt es die sinkende Zahl an Schwimmbädern, die es für viele Familien aufwendiger macht, überhaupt schwimmen zu gehen. Zum anderen ist es der Lebenswandel: Mittlerweile sind häufig beide Elternteile berufstätig und die freie Zeit, um mit dem Kind schwimmen zu gehen, ist begrenzter als früher.“ Schwimmen sei eine Fähigkeit, die überlebenswichtig ist. „Es geht nicht darum, einen Sportschwimmer aus jedem Kind zu machen. Man muss verstehen, dass das sichere Schwimmen erst mit dem Erreichen des bronzenen Schwimmabzeichens gegeben ist. Das Seepferdchen reicht dafür nicht“, stellt Steffi Konrad klar. Es sei nur eine vorbereitende Prüfung auf das Schwimmen. „Außerdem sind Schwimmflügel oder andere Hilfsmittel kein ausreichender Schutz vor dem Ertrinken. Wer die Aufsichtspflicht hat, muss trotzdem immer ein Auge auf die Kinder haben. Schon ein paar Minuten oder sogar Sekunden ohne Aufpasser können zu viel sein.“