„Die Stadt will uns unser Paradies wegnehmen“

WÖRTH (ps). Verzweiflung, Wut, Enttäuschung: Die Camper des Wörther Campingplatzes Mainaue sind am Limit. Dem aktuellen Pächter wurde zum Ende dieses Jahres gekündigt, für Dauercamper soll dann Schluss sein - stattdessen solle ein neuer Platz für Durchfahrtcamper mit ihren Wohnmobilen gebaut werden. Für die Bewohner des Campingplatzes, die zum Teil schon seit fast 60 Jahren immer wieder nach Wörth kommen, bricht damit eine Welt zusammen. Ein Pacht-Bewerber, der die kleine Idylle am Main erhalten wollte, hat den Zuschlag nicht erhalten - die Stadt scheint anderes im Sinn zu haben. PrimaSonntag hat mit den Betroffenen und dem Wörther Bürgermeister gesprochen.
„In zwei Monaten ist Schluss für uns und wir haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Alles, was wir wollen, ist hier bleiben zu dürfen“, erzählt Susanne Landvogt. „Ich bin seit 55 Jahren hier, bin auf dem Campingplatz aufgewachsen. Meine Mutter ist dieses Jahr die 59. Sommersaison hier. Sie würde so gerne noch die 60. erleben. Es ist eine Schande, wie mit uns umgegangen wird und das nach all diesen Jahren.“ Im Dezember habe der aktuelle Pächter erfahren, dass die Pacht nicht mehr verlängert wird und Ende ´25 Schluss ist. „Ich habe gemeinsam mit ein paar Campern ein Konzept ausgearbeitet, der Bürgermeister und das Landratsamt waren hier. Wir haben alles vor den Stadtrat gebracht, alles sah gut aus“, schildert der neue Pacht-Bewerber die Situation. Er ist ebenfalls Camper auf der „Mainaue“ und Teil der Gemeinschaft. „Nach dem Bauausschuss wurde uns gesagt, es klinge gut. Nach der 2. Bausauschusssitzung im Juni wurde uns mitgeteilt, nochmal einen Monat Geduld zu haben, da ein Mitbewerber sein Konzept noch vorschlägt. Das kam für uns völlig aus dem Nichts.“ Eines ist mittlerweile klar: Den Zuschlag für seine mit Mühe und Herzblut ausgearbeiteten Pläne hat der Camper nicht erhalten.
Nur noch Durchgangsverkehr?
Stattdessen sei der Zuschlag für ein Konzept erteilt worden, dass für Durchgangscamper-Verkehr sorgen soll, also ohne feste Plätze, sondern mit ständig wechselnden Wohnmobilen. Einen solchen Platz gebe es bereits in Klingenberg und Obernburg, also in der direkten Nähe. „Warum soll sowas jetzt auch noch hierher?“ fragen sich die Camper in Wörth. „Bei unserem Konzept wären keinerlei Kosten auf die Stadt zugekommen. Deswegen verstehen wir nicht, welchen Mehrwert die Stadt bei dem anderen sieht“, sagt der Pachtinteressent. Gabriela Armbruster ist wie Susanne auf dem Campingplatz großgeworden. „Meine Eltern und Großeltern haben das hier aufgebaut. Meine Kinder sind hier aufgewachsen und ich würde es gerne meinen Enkeln und Urenkeln ermöglichen, das hier alles zu erleben“, erzählt sie, während ihr die Tränen kommen. „Wir haben einen so starken Zusammenhalt, egal ob bei Hochwasser, beim Rasenmähen, beim Aufbauen oder Abbauen.“ Auch lokale Geschäfte würden die Camper schon immer unterstützen. „Wir sind auch Wörther. Geboren bin ich zwar in Frankfurt, aber aufgewachsen bin ich hier als Wörther. Wir haben die Geschäfte jahrzehntelang unterstützt: Bäcker, Metzger, Friseure. Wir waren Teil der Feste, haben Dienst bei der Metzgerei Helm auf der Kirchweih geschoben“, stellt Susanne Landvogt klar. „Hier seine Zeit zu verbringen, das ist einfach Freiheit und Erholung pur. Wenn das alles wegfällt, werden so einige Seelen brechen.“
Direkt willkommen
Auch von weiter weg kommen Camper nach Wörth, um die Idylle zu genießen. Einer von ihnen ist Julian Riedlinger aus der Nähe von Heidelberg. „Das ist jetzt unsere erste Saison hier. Wir haben im Vorhinein so viele Plätze angeschaut. Dazu kommt: Ich bin mit meinem Lebensgefährten und meinen zwei leiblichen Kindern hier, auf vielen Plätzen wird man allein deswegen häufig schon schräg angeschaut. Als wir hier ankamen, wurden wir noch am selben Tag auf ein Bier eingeladen, von Menschen, die uns noch gar nicht kannten. Da war für uns klar: Hier bleiben wir. Obwohl wir wussten, dass eventuell Ende des Jahres Schluss ist.“ Der Pachtinteressent habe so tolle Ideen, wie er den Platz und die Leute wieder mit der Stadt und den Bürgern verbinden möchte, um ihn wieder zu einem festen Bestandteil von Wörth zu machen. „Wenn das einer kann, dann er“, sagen die Camper. Susanne Landvogts 87-jährige Mutter Marga ist tieftraurig, dass dieser Sommer der letzte in Wörth sein könnte. Ihr verstorbener Mann wurde sogar vom Gewerbe- und Verkehrsverein mit einer Urkunde ausgezeichnet für die jahrelangen Besuche in Wörth. „Und heute will man uns weghaben. Wir haben hier unser Hab und Gut stehen und wissen nicht, wie es weitergeht.“
Das sagt der Bürgermeister
Wir haben Bürgermeister Andreas Fath-Halbig um eine Stellungnahme zu dem Campingplatz-Thema gebeten. „Dem bisherigen Pächter wurde mitgeteilt, dass der Vertrag wie vereinbart und seit langem bekannt zum 31. Dezember endet und nicht verlängert wird. Parallel dazu beauftragte der Stadtrat eine mögliche Weiternutzung der Anlage zu untersuchen“, erklärt er. „Allen Beteiligten war seit längerer Zeit bekannt, dass ein hoher Sanierungsbedarf an der Anlage besteht, welcher eine ‚einfache‘ Weiternutzung über den 31. Dezember hinaus nicht erlaubt.“ Grundsätzlich handele es sich bei Vergaben um ein allgemeines Marktgeschehen. „Ein Rechtsanspruch auf Zuschlag kann nicht auf Grund von im Vorfeld erbrachten Leistungen zur Bewerbung abgeleitet werden. Ebenso nicht aus geführten Vorgesprächen“, so Fath-Halbig. Zudem gelte es derzeit, noch viele Fragestellungen zum Thema, z.B. Haftungsrisiken zum Nachteil der Stadt Wörth, zu klären, weshalb noch keine finale Aussage über die Zukunft der Anlage getätigt werden könne. Zum möglichen Vorhaben, die „Mainaue“ zum reinen Wohnmobilstellplatz umzufunktionieren, sagt er: „Es gibt noch viele offene Fragen zu beantworten, weshalb hierzu derzeit keine verlässlichen Angaben gemacht werden können.“ Für die Camper ein schwacher Trost. „Wir wollen der Stadt überhaupt nichts Böses, wir wollen einfach nur eine Lösung finden, um hier zu bleiben“, stellt Susanne Landvogt klar. Wie die ganze Sache ausgeht, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.