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Metzger und Landwirt über den Stand der neuen Schlachthof-Pläne

30.11.2025, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
Collage Schlachthof

ASCHAFFENBURG (ld). Es ist eine wahre Tortur, die Landwirte mit ihren Tieren derzeit durchleben. Der Schlachthof Aschaffenburg ist seit April wegen eines Insolvenzverfahrens dicht, aber die Tage des Betriebs waren ohnehin gezählt. Nach dem Tierschutz-Skandal vor zwei Jahren wäre der Schlachtbetrieb nur noch bis Mitte 2026 gelaufen. Doch das stellt Bauern in der Region vor ein großes Problem. Im Dezember soll eine Genossenschaft gegründet werden, die Abhilfe schaffen will.

Dadurch, dass seit April in Aschaffenburg nicht mehr geschlachtet wird, müssen Landwirte lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. Die nächsten Schlachthöfe liegen entweder in Fulda oder bei Aub hinter Würzburg. Züchter, die ihre Tiere dorthin bringen, sind dadurch oft die ganze Nacht unterwegs: Gegen 22 Uhr werden die Tiere verladen - erst um etwa fünf Uhr morgens sind die Halter dann wieder zurück: „Bei zwei Stunden Fahrzeit - und dann sind noch Stehzeiten dabei und Verladezeiten - ist das für die Landwirte natürlich ein Riesenaufwand und für die Metzger auch, weil sie die geschlachteten Tiere dann in Aub abholen müssen. Das Ganze ist ökologisch und ökonomisch eine volle Katastrophe“, erklärt Landwirt Guido Steinel. Er hat sich mit Metzgern und Landwirten zusammengeschlossen, um eine Genossenschaft zu gründen. Stand jetzt kann diese noch im Dezember eingetragen werden. Die Grundidee: „Wir wollen, dass die Landwirte ihre Tiere an lokale Metzger und lokale Gaststätten verkaufen können. Dazu fehlt als wichtiges Bindeglied der Schlachthof.“

„Nase voll vom
Schlachthof-Skandal“
Im Gespräch war ein neuer Schlachthof in der Nähe des Kompostwerks, aber daraus wird erstmal nichts. Der Stadtrat hat sich im Sommer dagegen entschieden, weil es für das Grundstück kein Baurecht gibt. Der jetzige Schlachthof befindet sich in der Nähe der Stadtwerke und der Feuerwehr. Für deren Weiterentwicklung sei das Gelände von besonderer Bedeutung, so die Stadt Aschaffenburg. Doch noch etwas könnte dahinterstecken, meint Metzger Marco Häuser: „Ich denke, man hat auf gut deutsch die Nase voll gehabt wegen des Skandals. Man war froh, dass der Schlachthof geschlossen war. Klar, die Versorgung mit den Veterinären war immer Aufgabe der Stadt. Das war nicht so einfach. Und ja – so ein Schlachthof ist halt nicht sexy. Wir sind keine Wellness Oase.“ Ein weiterer Punkt in der Debatte dürfte aber auch die Haushaltslage der Stadt gewesen sein: „Die Stadt hat seit Jahren Verluste getragen, die aus der gesetzlich vorgeschriebenen Überwachung des Schlachtbetriebes resultierten. Außerdem war es zuletzt kaum noch möglich, das geforderte qualifizierte Personal zur Überwachung des Schlachtbetriebes zu finden. Bei allem Verständnis für die Situation der Landwirtschaft, war angesichts der immer schwieriger werdenden Haushaltslage der Weiterbetrieb des Schlachthofes allein zu Lasten der Stadt nicht mehr darstellbar.“

Bedingungen müssen stimmen
„Wir sind aktuell aktiv auf der Suche nach einem Grundstück, auf dem wir einen Schlachthof bauen dürfen und können. Da haben wir ein paar potenzielle Standorte“, sagt Marco Häuser. Aber dafür müssten die Bedingungen stimmen: „Zum einen brauchen wir eine gute Erreichbarkeit, eine gute Anbindung an das Straßennetz, möglichst wenig Wohnbebauung außenrum, dass wir auch zu Uhrzeiten arbeiten können, wo andere noch schlafen oder sich gemütlich auf den Balkon sitzen. Natürlich muss die Infrastruktur passen, wir brauchen die Energieversorgung. Wir würden irgendwo gerne in der Nachbarschaft eine Biogasanlage haben, dass wir auch unsere Energieversorgung gesichert haben und gleichzeitig unsere Abfälle verwertet kriegen.“

Neuer Schlachthof bis 2029?
„Es gibt Gemeinden, die die Unterstützung zugesagt haben“, sagt Guido Steinel. Und das ist auch dringend nötig, denn viele Bauern fühlen sich mit der derzeitigen Situation in ihrer Existenz bedroht: „Ich stelle in meinen Stall überhaupt keine Schweine mehr rein, wenn nicht klar ist, dass ich eine lokale Absatzmöglichkeit habe“, so ein Schweinezüchter zu ihm. Bis der neue Schlachthof fertiggestellt ist, dürften noch ein paar Jahre ins Land ziehen, denn die Genossenschaft ist auf Gelder der Staatsregierung angewiesen und das Projekt muss dann auch erstmal umgesetzt werden: „Wir hatten das Jahr 2029 angepeilt, bis dahin sollte ja der alte Schlachthof laufen. Mit den Verzögerungen, die da jetzt entstehen, denke ich, sind wir sicher im Zeitrahmen von vier bis fünf Jahren, bis das Projekt umgesetzt ist. Schneller geht so etwas nicht.“

Die Vision
Die Genossenschaft will sich damit auch gegen den Lebensmittel-Großhandel wehren, der bereits jetzt zum großen Teil die Preise diktiert. Momentan ist Guido Steinel froh, dass das Projekt weiterläuft. Er hofft, dass der Schlachthof in wenigen Jahren steht und die Kunden das Fleisch gerne kaufen, weil sie wissen, wo es herkommt und wie es verarbeitet wird: „Der Ehrgeiz dabei ist eigentlich, dass wir das maximal im 50km Umkreis haben wollen. Das heißt, die Tiere sollen im 50 km Umkreis aufgezogen, geschlachtet, weiterverarbeitet und dann möglichst auch dort konsumiert werden.“ Bis dahin ist der Weg aber noch weit - und die Rumfahrerei der Landwirte wird wohl die ein oder andere Existenz auf die Probe stellen.