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,,Ich kann nie wieder glücklich schwanger sein"

17.08.2025, 08:00 Uhr in PrimaSonntag
Collage Leano

ASCHAFFENBURG (sr). Etliche Untersuchungen, Medikamente und Krankenhausaufenthalte - und trotzdem gab es am Ende kein Happy End mehr für den kleinen Leano aus Aschaffenburg. Acht Monate war das kleine Wunderkind Teil dieser Welt, jetzt ist es still im Haus der jungen Familie. Ein ganzer Zettel voller Diagnosen und ein leeres Kinderzimmer bleiben zurück. Seine Mama Giulia Hein will jetzt für Aufklärung sorgen. Die 22-Jährige hat über ein Jahr – in der Schwangerschaft und nach der Geburt – nie aufgehört zu hoffen.

„Du bist unser kleines Wunder“, steht auf einem der zahlreichen Bilder, die das leere Kinderzimmer zieren. Erschöpft steht Giulia Hein im Raum und sieht sich um. „Niemand hat gedacht, dass er so lange leben würde“, sagt sie im PrimaSonntag-Interview. Die genaue Todesursache von Leano bleibt nur eine Vermutung. Allerdings schien bereits in der Schwangerschaft nicht alles normal zu verlaufen. In der 32. Woche kam der Schock: „Die Oberärztin sagte mir, mit dem Kleinen stimmt hinten und vorne was nicht und das obwohl am Vortag beim Ultraschal noch alles in Ordnung gewesen war“, erzählt Giulia. Keine Muskulatur, ein verformter Kopf und ein geringes Gewicht verwiesen erst auf den von der Mutter möglicherweise übertragenen Virus CMV. „Ich habe zuvor noch nie etwas von diesem Virus gewusst und das als Frau und obwohl es meine Schwangerschaft beeinflussen kann.“

„Das Kind hat nur gekrampft“
„Mir wurde nur gesagt, dass ich ihn in mir habe und er jederzeit ausbrechen kann“, erzählt die 22-Jährige. Nach etlichen Tests wurde diese Vermutung verworfen. Die Folge der Komplikationen: eine Frühgeburt und der Verdacht auf einen Herzfehler. „Es waren bestimmt 15 Leute im Kreissaal, weil man nicht genau wusste, was passiert“, erinnert sich die Mutter zurück. Nach einem kurzen Aufenthalt zuhause ging es wieder auf die Intensivstation. Eine weitere Diagnose ließ nicht lange auf sich warten. Leano hatte starke Epilepsie. Und das war nicht das Einzige: Der Balken – das sogenannte Verbindungsstück - zwischen den zwei Gehirnhälften des Jungen fehlte. „Im Endeffekt hat das Kind nur im Krampf gelebt, sogar die Ärzte wussten meistens nicht, ob er krampft oder nicht“, erzählt die junge Aschaffenburgerin. „Es konnte einfach keiner wissen was wie und wann passiert. Jeder Tag war ein Überraschungstag. Sein Herzschlag war oft weg, er musste aber nie reanimiert werden, sondern kam immer wieder von alleine zurück.“ Irgendwann waren es insgesamt zehn Medikamente pro Tag, die das kleine Kerlchen bekam – unter anderem alle vier Stunden Morphium. „Es gab kein Leben mehr ohne Medikamente und selbst wenn er noch länger gelebt hätte, wäre er immer davon abhängig gewesen“, sagt Giulias Mutter Sandra, Leanos Oma. In den letzten Wochen ging dann alles ganz schnell: „Er hatte dann nur noch eine Körpertemperatur von 34 Grad, hat sein Essen abgestoßen und er konnte auch nicht mehr Pipi machen“, erklärt Giulia. Am 17. Juli ist Leano dann friedlich im Schlaf verstorben.

Ein kleines großes Wunder
In der abschließenden Diagnose vom Klinikum wird vermutet, dass Leano ein „Aicardi-Kind“ war. „Das Klinikum kann uns die Vermutung aber nicht bestätigen, weil ein Junge das noch nie hatte“, erzählt Oma Sandra. Das Aicardi-Syndrom ist eine seltene genetische Erkrankung, die hauptsächlich Mädchen betrifft. Die schwere der Symptome kann bei jedem anders sein, doch klar ist, alle Anzeichen, die Leano in seinem Krankheitsverlauf aufwies, stimmen mit dem Bild der Krankheit überein. Da die Krankheit eine Mutation auf dem X-Chromosom verursacht, endet sie bei Jungen meist noch im Mutterleib tödlich. Das Baby von Marcel und Giulia hatte aber zwei X-Chromosomen. „Leano wäre also tatsächlich der erste Junge, der so lange mit diesem Syndrom überlebt hat, weil als Junge kannst du damit nicht auf die Welt kommen“, sagt Giulia Hein. „Er kam wirklich als Wunder zu uns.“

„Es muss mehr drüber gesprochen werden“
Was bleibt, ist eine riesige Lücke. „Ich habe von Beginn an aufgepasst und genug Tests gemacht und bin regelmäßig zum Arzt gegangen, da ich schon einmal eine Fehlgeburt hatte. So etwas in der 32. Schwangerschaftswoche erst zu erfahren war sehr beängstigend“, sagt Giulia. „Das CMV-Virus wird auch zum Beispiel nicht einfach so getestet. Bei Giulia haben sie es jetzt nur gemacht, weil bei dem Kleinen nicht alles okay war. Und noch dazu muss es selbst bezahlt werden“, erklärt Marcel Kuhn, der Vater von Leano. Deswegen will das Paar jetzt aufklären. „Es gibt einfach Krankheiten, die man gar nicht richtig kennt, weil eben auch nicht darauf aufmerksam gemacht wird“, stellt Marcel klar. Die CMV-Infektion kann bereits im Mutterleib auf das Baby übertragen werden. Das kann Fehlbildungen und Langzeitschäden hervorrufen. Giulia will, dass andere Frauen über den Virus Bescheid wissen. „Es ist ähnlich wie bei Herpes“, sagt sie. Der Virus befindet sich im Körper und kann egal wann auftreten, meist wird er auch erst in der Schwangerschaft oder nach der Geburt sichtbar, durch die Schäden die bleiben. „Die Klinik hat auch gefragt, ob sie mit den Proben von Leano weiter forschen dürfen. Natürlich habe ich ja gesagt. Das bringt mir meinen Sohn zwar nicht zurück, aber vielleicht kann ich anderen damit wenigstens helfen.“