Nach dem Ja-Wort in die Achterbahn

BAYER. UNTERMAIN (ps/acm). Es ist für viele der schönste Tag im Leben und die absolute Krönung der gemeinsamen Liebe: Der Tag, an dem sich Paare offiziell das Ja-Wort geben und sich schwören, immer füreinander da zu sein. Wenn geheiratet wird, muss alles passen, schließlich ist der Hochzeitstag bei vielen einer der kostspieligsten Tage im Leben. Warum möchten immer mehr Paare eine freie Trauung? Und wie tief wird in die Tasche gegriffen? PrimaSonntag hat mit einem heiratswilligen Pärchen vom Bayerischen Untermain, Standesbeamten, freien Traurednern und einem Brautmoden-Ausstatter aus der Region gesprochen.
Leonie Maibaum und Florian Keller wollen ihre Liebe nach fast vier Jahren offiziell krönen: Im April nächstes Jahr wird geheiratet. Im PrimaSonntag-Interview erzählt die 23-Jährige von den anstrengenden und umfangreichen Vorbereitungen. „Insgesamt wird die Hochzeit 25.000 Euro kosten, also Polterabend, Standesamt und kirchliche Hochzeit“, schätzt Leonie Maibaum. „Die Locationsuche war das Schwierigste. Wir haben uns ein Budget festgelegt und bei der Location sind wir jetzt bei 13.000 Euro mit allem Drum und Dran, also auch mit Essen und Trinken.“ Sie und ihr Zukünftiger heiraten in einem prunkvollen Jagdschloss. „Für die Blumen sind wir bei 250 Euro, der DJ kostet 1.200 Euro.“ Das Paar freut sich schon sehr auf die Trauung, 65 Freunde und Familienmitglieder sind eingeladen. Wie teuer alles ist, finden sie heftig. „Bei den Kosten schluckt man erstmal, ohne Frage, das ist ein Haufen Geld. Man merkt einfach, dass alles teurer geworden ist.“
Weniger Kirche -
mehr Individualität
Dass immer weniger Paare kirchlich heiraten, ist ein deutschlandweiter Trend. Die Zahl katholischer Trauungen lag hier in der Region in den 2010er-Jahren immer deutlich über 1.000, teilt das Bistum Würzburg mit. In den letzten Jahren ist diese Zahl deutlich gesunken: Im Jahr 2024 heirateten noch 761 katholische Paare am Bayerischen Untermain kirchlich. Das evangelische Dekanat Aschaffenburg verzeichnet 79 Trauungen im Jahr 2024. Das sind fast doppelt so viele, wie aus dem Jahr 2023. Christian Mantel arbeitet beim Aschaffenburger Standesamt und ist zusätzlich freier Trauredner. Ihm ist diese Entwicklung auch schon aufgefallen. „Es war früher ganz oft so, dass nach der standesamtlichen Trauung die kirchliche Hochzeit war. Das fällt jetzt öfter weg. Man hört kaum noch, dass kirchlich geheiratet wird. Zumindest ist das unser Eindruck“, erzählt er.
Nur noch standesamtlich?
Heute kämen viele Paare sehr schick zur standesamtlichen Hochzeit, weil das häufig die einzige Hochzeit sei, die die beiden haben, so Mantel. Allerdings haben sich auch die standesamtlichen Trauungen gewandelt: Mittlerweile würden auch öfter persönliche Worte gesprochen werden, das sei früher nicht so gang und gebe gewesen. „Viele Paare wünschen sich, dass man ihre Geschichte wiedergibt und dass man Musik mit einbaut. Das wird jetzt häufiger sehr zelebriert.“ Es gebe aber auch Paare, die die standesamtliche Trauung ganz locker abhalten und einige Tage später dann kirchlich heiraten oder eine freie Zeremonie haben. „Man kann es nicht pauschalisieren. Mir fällt aber auch auf, dass es heute oft zwischen 30 und 100 Gäste sind. Das gab es früher auch nicht unbedingt – man hat halt das Standesamt mit Familie und dem engsten Kreis gemacht und die kirchliche Trauung dann mit allen“, so Mantel.
Ab ins Ausland
Für den Boom freier Trauungen könnte es aber weitere Gründe geben. Sabrina Noll, freie Traurednerin und Standesbeamtin, hat schon viele Paare verheiratet, unter anderem im Aschaffenburger Park Schönbusch und am Seehotel Niedernberg. „Zum einen sind viele Menschen gar nicht mehr der Kirche angehörig. Zum anderen ist es vielen Paaren heute wichtig, dass die Zeremonie so persönlich wie möglich gestaltet wird. Freie Trauredner nehmen sich sehr viel Zeit für die Paare und sprechen häufig auch mit den Familienangehörigen“, so Noll. Ein dritter Grund könne sein, dass freie Trauungen nicht ortsgebunden seien. „Ob am Strand oder daheim im Garten, das kann das Paar ganz individuell entscheiden.“ Ihre verrückteste Trauung habe in einem Freizeitpark stattgefunden. „Da sind wir direkt nach dem Ja-Wort zur Achterbahn gegangen und damit gefahren. In diesem Jahr darf ich außerdem zu gleich zwei Hochzeiten ins Ausland reisen, einmal eine Trauung auf Mallorca und noch eine in Portugal“, erzählt Noll. Sie kann sich vorstellen, dass Auslandshochzeiten zum Trend werden. Leonie Maibaum spricht von einem weiteren Trend: dem „Wedding-Weekend“. „Das gibt es jetzt immer öfter, dass ein komplettes Wochenende lang gefeiert wird.“
Ivory, Rosé und Satin
Klaus Schüßler, Geschäftsführer vom Modehaus KS Topdress in Leidersbach, weiß, welche Kleiderformen und Farbtöne dieses Jahr angesagt sind. „Es gibt wie immer die klassische A-Linie, die ist nach wie vor gefragt. Fit and Flair ist momentan nicht so angesagt, also körperbetonte, eng anliegende Schnitte wie die Mermaid-Form.“ Ivory, also ein Creme-Farbton, sei nach wie vor im Trend, reinweiß gebe es eigentlich seit vier, fünf Jahren gar nicht mehr. „Wenn ein Farbklecks dabei ist, geht es häufig ins Champagner- oder Rosé-Farben.“ Im Kommen wären „cleane Kleider“. „Das sind Kleider, die allein von ihrem Schnitt und dem Stoff leben und häufig aus Satin sind“, erklärt Klaus Schüßler. „Letztens hatte ich eine Kundin, die in den Bergen geheiratet hat und da waren auch ein paar schamanische Bräuche dabei, also es ist eine bunte Mischung.“ Wie auch immer geheiratet wird, ob kirchlich, frei oder nur standesamtlich: Solange das Brautpaar glücklich ist, ist die Wahl die Richtige.