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Die Gesichter der „Vierten Welle“!

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20.11.2021, 22:13 Uhr in Primaveraland
Gesichter vierte Welle

BAYER. UNTERMAIN (dmk/jm). Noch nie dagewesene Inzidenzen und volle Intensivbetten: Die Pandemie ist bedrohlicher als sie es je war. Nach einer Zeit der täuschenden Normalität im Sommer sind wir mit Vollgas in der Realität der „Vierten Welle“ angekommen! Das bedeutet nicht nur erneute Einschränkungen für jeden von uns, sondern auch eine Menge Arbeit und Druck für alle Menschen, die tagtäglich an der Corona-Front arbeiten und teils um Menschenleben kämpfen. PrimaSonntag hat mit genau ihnen über ihren klaren Appell an die Gesellschaft und die Politik gesprochen.

Frank Fuchs – Lehrer, Hermann-Staudinger-Gymnasium Erlenbach: „Präsenz-Unterricht muss beibehalten werden“

„Nach den zwischenzeitlichen Lockerungen kam es in den letzten Wochen wieder zu Verschärfungen der Vorsichtsmaßnahmen“, blickt Frank Fuchs zurück. Generelle Maskenpflicht und stärkere Einschränkungen im Sportunterricht gehören dazu. Die Lehrerschaft persönlich habe aber eher keine allzu große Angst vor Ansteckungen. „Wir sind zum einen allesamt geimpft und zum anderen tragen wir natürlich Masken“, erklärt das Mitglied der erweiterten Schulleitung. Die größere Angst sei aber, dass sich die Ungeimpften, zumeist jüngeren Kinder, anstecken. Diese bleiben zwar glücklicherweise meist symptomfrei, aber sie könnten ungeimpfte Erwachsene, vielleicht sogar schwangere oder chronisch kranke Angehörige anstecken. Die Angst bei den Kindern sei stark unterschiedlich. „Es gibt ängstliche Kinder, die hier schon leiden - aber auch wenige Jugendliche, die die Gefahr auch unterschätzen. Dennoch würde ich für die überwiegende Mehrheit unserer Schüler sagen, dass sie eine gesunde Mischung aus Respekt und der notwendigen Gelassenheit haben.“ Bei über 700 Schülern gehen die Vorstellungen der einzelnen Elternhäuser vom richtigen Umgang mit der Pandemie naturgemäß weit auseinander: von ängstlichen und vorsichtigen Eltern über diejenigen, denen die Vorsichtsmaßnahmen nicht weit genug gehen, bis hin zu vereinzelten Fällen von Leugnern. „Bisher können noch nicht alle Kinder geimpft werden“, weiß Frank Fuchs. „Es muss daher alles drangesetzt werden, den Präsenz-Schulbetrieb in verantwortlichem Maße aufrechtzuerhalten, ohne die Kinder und deren Umfeld zu gefährden.“

Sascha Amrhein – Erzieher, Familienstützpunkt Schweinheim Haus für Kinder Maria Geburt: „Bessere Rahmenbedingungen für die Kitas“

„Wir hatten seit September die Möglichkeit, dass sich die Kinder frei im Haus bewegen können“, berichtet Erzieher Sascha Amrhein. „Das können wir den Kindern jetzt nicht mehr bieten und müssen diese trennen!“ Für die Mitarbeiter bedeutet das natürlich eine Menge Dokumentationsarbeiten um im Fall einer Infektion alle Kinder, die Kontakt hatten zu ermitteln. Da die Kinder sich nicht impfen lassen können herrscht hier natürlich eine größere Ansteckungsgefahr für Jung und Alt. „Ein paar von uns haben schon Sorgen, dass sie etwas in die eigene Familie schleppen“ berichtet Amrhein. „Wir können den Abstand zu den Ziehgruppen ja auch nicht halten. Die Kinder brauchen Nähe.“ Man sei aber trotzdem überrascht, wie bewusst sich die Kinder der Situation seien. „Viele Kinder haben gesagt, dass sie sich zuhause testen, dass die Stäbchen in der Nase kitzeln.“ Verängstigung merke man bei den Kindern nicht, aber natürlich sind sie unzufrieden mit der Situation. Für den Beruf des Erziehers wünscht sich Amrhein mehr Wertschätzung – auch an die Politik hat er Wünsche. „Man muss die Gruppengröße reduzieren um bessere Rahmenbedingungen für die Kinder und Mitarbeiter zu schaffen“, bemängelt Amrhein. Dies ist im Familien Stützpunkt Schweinheim – Haus für Kinder Maria Geburt bereits umgesetzt worden. „Dadurch können wir uns für jedes einzelne Kind und deren Bedürfnisse mehr Zeit nehmen.“

Marco Maier – Caritasverband, zuständig für Altenhilfe: „Das Klatschen bringt uns nichts“

„Die Mitarbeiter brauchen endlich Licht am Ende des Tunnels“, erzählt Marco Maier, Vorstand des Caritasverbands. „Das Klatschen der Leute bringt uns Garnichts, wenn sich danach nichts verändert. Wir sind am Limit!“ – und das schon seit Jahren. Die Pflege sei überproportional belastet. Durch die Pandemie fallen zusätzlich zum eh schon stressigen Alltag noch Verwaltungsarbeiten an: Auch hier fehlen die Kapazitäten. Im Seniorenwohnstift St. Elisabeth ist die Personalsituation im Vergleich zu anderen Einrichtungen dafür noch recht entspannt. „Seit 2014 haben wir 23 neue Köpfe im Team und gerade beschäftigen wir 14 Azubis“, berichtet uns Maier, der Leiter des Seniorenwohnstifts. Trotzdem müsse der Beruf attraktiver gemacht werden. „Die Pflege wird seit Jahren heruntergewirtschaftet.“ Er fordert einen besseren Pflegeschlüssel. Dadurch könne man in der Pflege auf einen größeren Springerpool bei Krankheitsfällen im Personal zurückgreifen. Hierfür müssten Steuerbeiträge neben der Pflegefinanzierung aufgebracht werden, sodass Entlastung für die Mitarbeiter geschaffen werden kann und verlässliche Dienstplanung stattfinden kann.“ – So würde der Beruf attraktiver werden. Auch die Bevölkerung sieht er in der Pflicht. „Das Soziale in der Gesellschaft muss wieder in den Mittelpunkt rücken“, fordert Maier. „Wir brauchen mehr Verständnis aus der Politik und Gesellschaft!“

Dr. Roland Rauch,hausärztliche Praxis Karlstein: „Bis zu 1.800 Anrufe täglich“

Aktuell ist es für uns Ärzte eine ausgesprochene Herausforderung: Es gibt wirklich einen Ansturm der Patienten. Neben der normalen Versorgung, die uns ja eigentlich schon auslastet, kommen die Corona-Aktionen noch hinzu: Die ganzen Abstriche und Infekt-Patienten, die ja gesondert zu behandeln sind. Mit den Booster-Impfungen sind die Anrufe und die E-Mails praktisch nicht mehr zu bewältigen: Bis zu 1.800 Anrufe täglich kommen bei uns in der Praxis an, das Telefon steht nicht mehr still. Bisher haben wir mehrfach die Woche um die Mittagszeit einen Impf-Block eingefügt, jetzt wollen wir künftig einen festen Impf-Tag die Woche machen, wo wir versuchen, 200 Impfungen durchzuführen. Wie immer gab es eine Diskrepanz zwischen Stiko-Empfehlung und politischer Forderung: Ab sofort darf jeder sich zur Impfung anmelden, die Priorisierung ist daher nicht mehr wirklich zu halten. Wir versuchen zu schauen, dass die Auffrisch-Impfung mindestens fünf, besser sechs Monate nach der zurückliegenden Impfung durchgeführt wird. Wir arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit. Ich muss dazu sagen: Ich habe einen erheblichen Personalausfall – nicht corona-bedingt! - und glaube schon, dass das auf die Anspannung und Erschöpfung der letzten Monate zurückführen ist. Was Impf-Unterstützung durch die Apotheker angeht: Je mehr impfen, desto besser - aber: Gerade in den Apotheken sehe ich aber die Schwierigkeit, dass die Patienten ja 15 Minuten nach der Impfung im Bereich bleiben müssen, um einen möglichen Notfall zu bewältigen. Wie die Apotheker das dann machen, weiß ich nicht genau. Man muss meines Erachtens die Impfzentren wieder aufbauen: sie hat man ohne Not und viel zu früh wieder eingestampft. Uns würde es helfen, wenn man etwas mehr Verständnis und Nachsicht entgegenbringt. Unser Personal bringt unter Hochdruck wirklich bravouröse Leistungen!“

Björn Bartels und Ute Afifi – Leiter und Ärztliche Leitung Impfzentrum Miltenberg: „Wir brauchen mehr Solidarität“

„Momentan verabreichen wir etwa 350 Impfungen pro Tag“, berichtet Bartels, Leiter des Impfzentrums. Anfang Oktober kam die Anweisungen die Impfzentren auf 100 Impfungen pro Tag runterzufahren und hauptsächlich die Impfungen beim Hausarzt anzubieten. Für Björn Bartels eine „klassische Fehleinschätzung der Hausärzte Vertretung“. Vor zwei Wochen dann der plötzliche Umschwung. Die Impfzentren werden wieder voll in Betrieb genommen – nur fehlen Personal- und Impfkapazitäten. Mittlerweile konnte das Team glücklicherweise wieder aufgefüllt werden, trotzdem wurde man hier kalt getroffen. Trotz der nahen Arbeit am Patienten hat das Personal keine Angst vor Ansteckungen. Man sei die Situation und das Risiko mittlerweile gewohnt. In den letzten Tagen sei der Bedarf deutlich gestiegen. „20 bis 25 Prozent sind Erst-und Zweitimpfungen, der Rest sind Auffrischungsimpfungen“, erklärt die ärztliche Leiterin Afifi. Man spüre ein leichtes Umdenken in der Gesellschaft. Viele, die sich einer Impfung zuerst verweigert haben, informieren sich jetzt im Impfzentrum. „Wir brauchen mehr Solidarität für mehr Sozialität“, fordert Bartels. Von der Politik fordere man mehr vorausschauenderes Handeln. „Es muss mehr Rücksprache mit den ausführenden Organen, also den Impfzentren, gehalten werden!“

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