Geprellte Löhne: Zahlreiche Verfahren gegen Firmen im Primaveraland
PRIMAVERALAND/SCHWEINFURT. Lohn-Prellerei
aufgedeckt: Das Hauptzollamt Schweinfurt, das sowohl für Stadt und Kreis Miltenberg als auch für Stadt und Kreis Aschaffenburg
zuständig ist, hat im vergangenen Jahr 122 Verfahren gegen Unternehmen
eingeleitet, weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt
wurden. Dabei verhängten die Beamten Bußgelder in Höhe von rund
572.000 Euro. Das teilt die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mit. Die
Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Erhebung des Bundesfinanzministeriums
für den Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup (SPD), der auch Mitglied im
Finanzausschuss des Parlaments ist. Demnach entfielen 23
Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Baufirmen in der Region, gegen die Geldbußen
von 42.700 Euro verhängt wurden.
„Die Zahlen zeigen, dass es viele Arbeitgeber mit der Bezahlung ihrer
Beschäftigten nicht so genau nehmen. Der Zoll sollte daher auch im Kreis
Miltenberg noch mehr Präsenz zeigen. Das Risiko für schwarze Schafe, bei einer
Kontrolle erwischt zu werden, ist noch immer zu gering“, sagt Michael Groha.
Der IG BAU-Bezirksvorsitzende verweist darauf, dass die Arbeit, die auf die
Zolleinheit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zukommt, mehr werde.
Denn mit der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro
Stunde stiegen ab Oktober auch die Einkommen Tausender Menschen allein in den Kreisen Miltenberg und Aschaffenburg. „Der Staat muss dann sicherstellen, dass die Beschäftigten den
höheren Mindestlohn auch wirklich bekommen. Die wichtige und überfällige
Erhöhung des unteren Lohnsockels darf nicht nur auf dem Papier gelten“, so der
Vorsitzende der IG BAU Mainfranken.
Der Gewerkschafter warnt vor bloßen „Placebo-Kontrollen“, sollte das
Hauptzollamt Schweinfurt die Arbeitgeber-Prüfungen nicht deutlich ausweiten.
„Entscheidend ist, dass die FKS zusätzliches Personal bekommt. Das
Bundesfinanzministerium als oberster Dienstherr der Zollverwaltung muss sich
mit Hochdruck um neue Kontrolleure kümmern.“
Kritik übt die IG BAU zudem an einem „staatlichen Zuständigkeits-Wirrwarr“. So hätten
die Arbeitsschutzbehörden beispielsweise die Einhaltung der
Sicherheitsvorschriften und Standards bei Unterkünften ausländischer
Beschäftigter im Blick. Allerdings fehle es in den Ämtern ebenfalls an Personal
– obwohl sie in der Pandemie zusätzliche Aufgaben wie die Kontrolle der
Corona-Vorschriften am Arbeitsplatz bekommen hätten. Die FKS des Zolls hingegen
kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen. „In der Praxis
wäre eine staatliche Arbeitsinspektion aus einer Hand sinnvoller. Als
übergeordnete Behörde könnte sie für die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und
Sozialvorschriften Sorge tragen“, so Groha.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums kontrollierte das Hauptzollamt
Schweinfurt im vergangenen Jahr insgesamt 1.199 Unternehmen in der Region
– 364 davon aus der Baubranche. Im Fokus der Fahnderinnen und Fahnder standen
neben Lohn-Tricksereien insbesondere auch Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung
und Steuerbetrug: Insgesamt leiteten die Schweinfurter Zöllner hier 3.432 Strafverfahren
ein (Bau: 268).
Quelle: Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Bezirksverband Mainfranken