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Pokerspieler wie Schwerverbrecher behandelt?!

05.10.2025, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
Collage Poker

GOLDBACH (mg). Was als harmloser Pokerabend begann, endete für über 60 Teilnehmer in einem handfesten Polizeieinsatz. Der Vorwurf: illegales Glücksspiel. Die Beteiligten sehen das ganz anders - und sprechen von einem Missverständnis mit schwerwiegenden Folgen. Die Klagen hagelten auf die Teilnehmer ein. Wir haben mit einem der Organisatoren gesprochen, der die Hintergründe erklären will und sich über die mediale Darstellung und den Umgang der Behörden empört zeigt.„Ich komme aus dem Kahlgrund und es ist, glaube ich, auch keine Seltenheit, dass man mal um ein paar Euro spielt“, erzählt Organisator Robert. Seit ca. 15 Jahren spielt er mit Freunden Poker - nicht etwa, um hohe Gewinne zu erzielen, sondern aus Begeisterung für das Spiel. Die Gruppe nennt sich „Die Kahlgrundgambler“. Der Organisator ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Er wurde verwarnt, darf sich aber in den kommenden zwei Jahren nichts mehr in dem Bereich zu Schulden kommen lassen – sonst ist eine Geldstrafe fällig. Weitere Teilnehmer haben einen Prozess, durch eine „Spende“ abwenden können. „Poker ist für uns strategisch, mathematisch, psychologisch. Es geht nicht ums Geld, sondern ums Können“, so Robert.

Robert organisierte die Turniere im Herbst 2023 und im darauffolgenden Frühjahr. Die fanden in Hösbach und in Goldbach statt. Um sich abzusichern, suchte er den Kontakt zu den Behörden: „Und da war die Aussage, wenn wir privat unter uns bleiben, sei das kein Problem. Ein Vorschlag war, man sollte einfach einen Club eröffnen, wo die Leute bekannt sind und dann ist das nicht öffentlich.“ Das ist auch ein ausschlaggebender Punkt in der aktuell undurchsichtigen Gesetzeslage - das Pokerspiel darf nicht öffentlich sein. Der Organisator bemühte sich, den Vorschlag umzusetzen: „Wir haben ein Anmeldebuch - jeder kriegt einen Clubausweis, damit keine Fremden mitspielen. Die Leute sind alle persönlich eingeladen. Ich habe alle vorher persönlich gekannt.“ Der Organisator betont, dass er nichts an den Turnieren verdiene – es geht ihm um die Freude am gemeinsamen Spielen. Folgender Hinweis auf der Clubseite soll die Mentalität der Poker-Spieler widerspiegeln: „Diese Seite dient in erster Regel den Leuten, die Spaß am Pokern haben und gerne Pokern würden, ohne viel Geld aufs Spiel zu setzen. Der, der richtig um Kohle zocken will und dabei hofft, reich zu werden, kann an dieser Stelle die Seite wieder verlassen. Wir spielen Poker zum Spaß und wer Lust hat zu wissen, wie gut er ist, ist herzlich eingeladen, bei uns mitzumachen.“

Polizeieinsatz überdimensioniert oder gerechtfertigt?

In einer Gaststätte in Goldbach stand das nächste Turnier an - doch der Poker-Abend verlief nicht wie geplant. Es kam zu einem Großeinsatz der Polizei: „Und dann sind die mit 35 oder 40 Leuten, schwarz vermummt, mit Kamera und mit dem Türspreizer dabei reinmarschiert.“, berichtet uns der Organisator. Die Teilnehmer sahen geschockt zu. Weitere berichten von ihren Erfahrungen an dem Abend, so auch Bernhard Bicking: „Ich war gerade auf der Toilette, als ‚gestürmt‘ wurde und ich in einen rauen Ton aufgefordert wurde, SOFORT herauszukommen. Selbst auf meinen freundlichen Hinweis, dass ich mich erst ‚fertigmachen‘ muss, wurde gebrüllt, dass, wenn ich nicht sofort herauskäme, die Tür aufgetreten wird. Da hätte ich ja fast einen Herzinfarkt bekommen.“ Auch Anja Weller, eine weitere Teilnehmerin, hat den Abend noch genau in Erinnerung: „Man wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt, obwohl wir nur mit Freunden um 25 Euro gespielt haben.“ Zwei Stunden hätten die Teilnehmer mit den Händen über dem Kopf sitzen müssen, ergänzt Robert. „Dass die Polizei sich schützen muss und nicht wissen, was am Anfang auf die zukommt, sehe ich ein. Aber man muss doch nach zehn Minuten merken, dass von uns keine Gefahr ausgeht. Es waren aber auch Polizisten dabei, die haben sich entschuldigt.“ Gefunden wurden letztlich: zwei Joints und ein Messer. Kurze Zeit später wäre der Joint legal gewesen.

Aus Spaß am Spiel

Was in der Öffentlichkeit oft als Glücksspiel abgestempelt wird, sehen die Clubmitglieder anders. Der Organisator erklärt: „Wir spielen eine flache Struktur, das bedeutet, man spielt sehr lange und bekommt viele Hände in einem Turnier. Somit überwiegt ganz klar der Anteil des Könnens. Zusätzlich spielt es auch keine Rolle, ob jemand arm oder reich ist. Man bezahlt eine Startgebühr von 25 Euro und jeder hat die gleiche Menge an Chips. Das steht beim Turnier im Vorfeld fest“ Der Organisator zieht den Vergleich zum Preisschafkopf. Die Startgebühr beträgt 25 Euro, darum wird gespielt. Bernhard Bicking äußert sich hierzu: „Poker ist ein Hobby für mich. Da es immer um geringe Beträge geht, kann man ja nix verlieren. Wenn man ins Kino gehe, kostet es mehr und ist in zwei Stunden erledigt, wir spielen 6 bis 8 Stunden.“ Frank S. aus Stadtprozelten, ein weiterer Teilnehmer, ärgert sich besonders darüber, dass Schafkopf und Skat als Gesellschaftsspiel gelten „und bei Poker wird man als Verbrecher abgestempelt. Man trifft Freunde und hat einen schönen Wettkampf.“