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Eine Mosbacherin kämpft um ihren Traum

19.07.2025, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
KW29 Mosbach Melanies Schlemmer Scheune 16

SCHAAFHEIM-MOSBACH (ld). Es sollte ein Neuanfang werden. Doch aus dem Neuanfang wurde schnell ein Albtraum. Melanie Kraft eröffnet nach 30 Jahren in einer Textilfirma eine eigene kleine Gaststätte - die sogenannte Schlemmer-Scheune. Alles scheint perfekt, doch ein Ehepaar in der Nachbarschaft hat etwas dagegen und das bedeutet das vorläufige Aus für den Familienbetrieb. Melanie gibt aber nicht auf und kämpft weiter um ihre Schlemmer-Scheune.

Ursprünglich kommt Melanie Kraft aus den Hohen Tauern in Österreich, doch ihre Familie entschied sich 1974 dazu, nach Mosbach zu ziehen. Denn in der Heimat gab es nur wenig Industrie und kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Melanie lernte Hessen und die Region Aschaffenburg lieben. In Haibach arbeitete sie jahrelang in einer Textilfirma, bis diese vor wenigen Jahren Insolvenz anmeldete. Ein weiterer Schicksalsschlag war der Tod der Mutter, den ihr Vater nur schwer verkraftete. Deshalb kümmerte sie sich um ihn im Elternhaus. Daran angebaut ist eine alte, damals baufällige Scheune. In dieser Zeit entstand die Idee: ein Treffpunkt für den ganzen Ort. Und wie könnte das besser funktionieren als in Form einer Wirtschaft? Ende 2022 wurden die Pläne gezeichnet, wenige Monate später bekam Melanie die Baugenehmigung und es konnte endlich mit der Sanierung der alten Scheune losgehen.

Erste Erfolge

Bei der Renovierung halfen Familie, Freunde und sogar Nachbarn mit. Ende 2023 konnten die Mosbacher bei einem Weihnachtsmarkt dann sehen, was aus dem Anbau des Hauses geworden ist: eine gemütlich eingerichtete Gaststätte. Bis zur Eröffnung waren es da noch fünf Monate. Am 8. Januar 2024 passierte dann etwas, das den weiteren Verlauf des Projekts besiegelte: Ein Ehepaar aus dem Ort klagte gegen den Bauantrag, womöglich aus Lärmschutzbedenken. Daraufhin fragte Melanie beim Bauamt nach: „Die hatten dann zu mir gesagt, dass sich das mit dem Widerspruch noch hinziehen kann und ich jetzt ganz normal weitermachen und das Projekt fertigstellen soll.“ Das tat sie auch und konnte im April „Melanie´s Schlemmer-Scheune“ eröffnen. Zu diesem Anlass bekam Melanie von einem Nachbarn sogar ein Holzschild mit Gravur geschenkt, das sie stolz in der Scheune neben ihren eigenen Bildern aufhing.

Eine Anlaufstelle im Dorf

In ihrer Wirtschaft bot Melanie alpenländische Platten mit Lebensmitteln aus ihrer Heimat Österreich und hessische Spezialitäten an. Und das kam gut an, vor allem, weil während der Corona-Pandemie zwei Gaststätten in Mosbach schließen mussten. „Es ist eine Anlaufstelle im Dorf. Da ist es immer sehr ruhig und da freut man sich, wenn es einfach einen Ort gibt, wo man spontan hingehen kann, wo man vielleicht dann Freunde und Bekannte trifft, wo man ein Gläschen Wein trinkt und etwas Leckeres isst“, erzählen die Besucher Ursula und Frank Müller aus Mosbach. Und Melanie erinnert sich mit strahlenden Augen an diese Zeit zurück: „Ich hatte da schon sehr viele Stammgäste und es haben sich natürlich sehr viele Geschichten daraus ergeben.“ Außerdem gab es immer wieder Wandergruppen, die am Nachmittag in der Schlemmer-Scheune eingekehrt sind. Von 16 bis 80-Jährigen war alles dabei: „Es war immer eine Mordsstimmung!“, so Melanie Kraft.

An der Existenzgrenze

Als sich das Team gerade eingespielt hatte, kam eine Nachricht, die niemand zuerst wahrhaben wollte: „Am 16.08.2024 gab es einen Eilbeschluss vom Verwaltungsgericht, der mir mit sofortiger Wirkung die gastronomische Nutzung untersagt hat.“ Der Bauantrag müsse nach der Klage vom Januar überprüft werden, bevor es weitergehen könne. Etwaige Mängel müssen ausgeräumt werden: „Da waren Traurigkeit, Wut und Unverständnis. Ich dachte: Es kann doch nicht sein, dass du jetzt ein Jahr lang bis nachts um elf hier gestanden, Wände mit verputzt, alles so schön vorbereitet hast und dann wird dir einfach untersagt, dass man das nutzen darf.“ Melanie musste allen 15 Aushilfen kündigen und wusste erst nicht, wie sie mit der Situation umgehen soll. Sie nahm sich einen Anwalt, der ihr half, die Situation in den sozialen Medien richtig darzustellen: „Wenn eine Gastronomie geschlossen wird, wird sehr viel geredet.“ Das Bauamt forderte zuerst ein Lärmgutachten von Melanie. Das ließ sie im Oktober in Auftrag geben und musste es aus eigener Tasche bezahlen - bei keinen Einnahmen seit Anfang September. Und immer die Ungewissheit, ob und wann sich etwas tut. Das Lärmgutachten sah gut aus – die klagenden Nachbarn waren laut diesem gar nicht betroffen. Auch der Vorwurf, dass die Scheune nicht gebietsverträglich sei, konnte widerlegt werden. Doch es begann ein ewiges Hin- und Her zwischen Architekten, Bauphysikern und Bauamt. Inzwischen seit etwa einem Jahr: „Es ist jetzt hart an der Existenzgrenze gerade. Ich habe ja keine Einnahmen und soll aber die Umlagen tragen.“ Vom Amt kam dann ein fragwürdiger Vorschlag: „Ich könne ja das Wohnhaus mit der Scheune veräußern, dann hätte ich ja wieder Geld. Ich dachte, ich bin im falschen Film.“

Wie geht es weiter?

Seit Juli läuft eine Petition für die Wiedereröffnung der Schlemmer-Scheune, die mittlerweile über 350 Leute unterschrieben haben: „Der Grund, warum ich jetzt aktiv werde ist, dass wir dann Ende Mai vom Bauamt ein Schreiben bekommen haben, dass mittlerweile so viele Dinge neu besprochen worden sind, dass das Bauamt einen komplett neuen Nutzungsantrag möchte. Zum Beispiel hatten wir die Öffnungszeiten von 23 Uhr auf 21.45 Uhr runtergenommen, weil es ja diese 22 Uhr Nachtruhe-Grenze gibt, wo eben noch schärfere Dezibel-Grenzen gültig sind.“ Den neuen Bauantrag hat Melanie am 30. Juni abgegeben und erhofft sich von der Petition, diesen zu beschleunigen. Außerdem will sie sich damit an den deutschen Gaststätten und Hotellerie-Verband wenden: „Es ist Sache der Politik, hier zu unterstützen.“ Mit einem Flohmarkt diesen Samstag will Melanie auf die Petition aufmerksam machen, außerdem sollen damit zumindest ansatzweise Kosten ausgeglichen werden. Hauptsächlich geht es der Betreiberin aber um das Gespräch mit den Leuten. Eine Entschädigung ist nicht in Sicht, denn die Klage ging gegen das Bauamt und nicht Melanie selbst: „Eigentlich kann ich nichts dagegen tun. Und das Bauamt auf eine Entschädigung zu verklagen, das wird nichts.“ Vorübergehend will sie in der Weinbrache arbeiten, denn mit einer Neueröffnung rechnet sie erst 2026. Die klagenden Nachbarn haben sich übrigens noch nicht einmal direkt bei Melanie gemeldet. Für sie steht nach all dem fest: „So richtig verstehen kann man es manchmal bis heute noch nicht.“

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