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Rodung für den Klimaschutz?

21.01.2024, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
KW03 Gailbacher Wald 5

GAILBACH (kh). ,,Mir fehlen einfach die Worte“, schrieb uns eine Gailbacher Leserin. Sie beschwerte sich aufs Schärfste über die Zustände des Gailbacher Waldes, vor allem im Bereich des Sportplatzes. Denn die Waldwege seien nicht mehr wiederzuerkennen. Dabei ist von Seiten der Stadt Aschaffenburg alles nach Plan gelaufen. Der Bereich des Reichenbacher Waldes soll nämlich nachhaltig umgebaut werden.

Es ist ein viel verbreitetes Konzept der Förster: Für mehr Vielfalt im Wald auch viele Bäume abzuholzen. Das Ziel: der Laubbaumanteil soll erhöht werden, so die Revierförsterin Pauline Schilling zu PrimaSonntag. Denn wenn in einem Wald voller Fichten die beigemischten Baumarten wie die Buche, die Lärche oder die Eiche gezielt freigestellt werden, dann bekommen sie mehr Licht zum Wachsen und können sich in den freien Flächen neu ansamen. So kann selbst ein eher eintönig wirkender Wald ein vielfältiger Mischwald werden - durch die unterschiedlichen Strukturen fühlen sich eine Vielzahl an Tieren und Insekten wohler. Sprich: Die Fichte muss weichen!

Foto Jet14
Revierförsterin Pauline Schilling. Foto: privat

Konzept überdenken
Dieses Konzept wird auch im Gailbacher Wald gefahren, erklärt uns die erste Försterin Schilling: ,,Hier wurde eine Holzerntemaßnahme durchgeführt. Die passiert in einem regulären Durchforstungseingriffs alle fünf bis zehn Jahre einmal“. Nachhaltige Fällungsarbeiten also. Die Gailbacher Leserin sieht das jedoch anders: „In Zeiten von Nachhaltigkeit, Erderwärmung und Klimaschutz sollte der Wald nicht als Profit, sondern als Mikroklima angesehen werden“, schreibt sie. „Sicherlich wird das Forstamt wieder mit der Verjüngung des Waldes argumentieren. Aber Sie können sich sicher sein, dass bei diesen Sommern der Boden so austrocknet, dass kein Samenflug mehr Wirkung zeigt.“ Und weiter: „Es wäre wirklich an der Zeit, das Waldkonzept der Stadt zu überdenken.“

Bernd das Brot
Bernd Kempf Foto: Freunde des Spessarts

Komplexe Situation
„Bei Naturverjüngung müssen die Grundvoraussetzungen stimmen. Einmal, dass der Wildbestand nicht zu hoch ist, sonst wird die neue Saat abgefressen. Zum anderen, dass die Anzahl der Laubbäume mit Vorsicht verringert wird“, so Bernd Kempf, Vorsitzender der Freunde des Spessarts. Prinzipiell bedeutet Naturverjüngung, ältere Bäume, wie zum Beispiel die Gailbacher Fichten, zu fällen und deren Holz zu verarbeiten, um die Vitalität und Klimaresistenz des Waldes zu stärken. So will man Klimaschäden vorbeugen, da die Eichen auch bei wärmerem Klima bestehen können. Dabei ist aber einiges zu beachten, erklärt Kempf: „Wenn man heute Wald zu sehr aufreißt und die Sommer sind heiß und trocken, dann hat man die Gefahr des Austrocknens der Saat. Deshalb ist es ist eine Abwägesache. Entweder man hat lieber zu viel Licht zum Wachsen der Saat als zu viel Schatten oder man behält die Fichten als Schutz für die Saat, dass sie nicht durch die Hitze austrocknet. Die Situation ist halt komplex.“ Ob die Verjüngung des Gailbacher Walds tatsächlich gelingen wird, bleibt also abzuwarten. Laut Pauline Schilling kann dies nämlich bis zu 40 Jahre dauern.

KW03 Gailbacher Wald 4
KW03 Gailbacher Wald 1
KW03 Gailbacher Wald 3

„Ich erkenne den Wald nicht mehr“
Der Gailbacher Wald ist Erholungswald und Klimaschutzwald zugleich. Es scheint schwierig, beides gleichzeitig einzuhalten. Gerade wenn zum Abtransport der Bäume die schweren Transporter anrücken müssen. „Aus einem idyllischen Waldweg wurden breite Fahrspuren mit schwerem Gerät gezogen. Ganz zu schweigen von den Querwegen, die plötzlich errichtet wurden“, so die Gailbacherin. Auf Seiten des Forstamts herrscht dafür auch Verständnis: „Durch die Maßnahmen verändert sich der Wald, aber das wollen wir ja auch. Es sieht halt im ersten Moment ein bisschen wild aus, weil sich der Charakter des Waldes schon verändert. Aber das gleicht sich mit der Zeit wieder aus, wenn auch wieder Laub wächst“, so Försterin Schilling. Sie sei auch immer offen für Fragen bestätigt sie uns, man könne gerne solche Kritik immer direkt ans Forstamt selbst richten.