„Täterin“ oder Bauernopfer?
WEILBACH (mg). Die Aufregung rund um die Geschehnisse und Vorwürfe gegen Kita-Personal in unserer Region reißt nicht ab. Vergangene Woche berichteten wir über einen neuen Vorwurf im Kindergarten „Farbenzauber“ in Weilbach, nachdem im September bereits Sommerkahl im Zentrum der Aufmerksamkeit gestanden hatte, weil eine Erzieherin Kinder mit Klebeband an Stühlen fixiert haben soll. Aus Weilbach erreichte uns dann die Nachricht, dass in einer Krippengruppe ein Kind räumlich von der Gruppe getrennt und so auf einem Stuhl platziert worden sein soll, dass seine Bewegungsfreiheit deutlich eingeschränkt gewesen sei. Das Landratsamt Miltenberg bestätigt, dass der Vorfall dem Jugendamt gemeldet wurde. Die betroffene Mitarbeiterin wurde vorläufig freigestellt. Die Erzieherin wandte sich nun über ihren Anwalt an uns und wehrt sich gegen die Anschuldigungen. Der Anwalt sagt: „Von einer Misshandlung oder auch nur von einer Körperverletzung kann nicht im Geringsten die Rede sein.“
Die Erzieherin habe die Gemeinde schon vor Monaten um Unterstützung gebeten - damit eine ordnungsgemäße Betreuung der Kinder möglich sei. Die Personalbesetzung der betroffenen Gruppe habe aus der angeschuldigten Erzieherin, einer Halbtagskraft und einer weiteren Mitarbeiterin bestanden, welche aber seit Juli 2025 erkrankt sei. Seither haben die zwei Angestellten bis zu 13 Kinder am Vormittag betreut. Am Nachmittag sei die Erzieherin mit etwa acht Kindern alleine gewesen. Bereits dieses Jahr im August soll sie sich an den Bürgermeister von Weilbach gewandt und um Unterstützung gebeten haben. Die sei allerdings nie gekommen. Auf Rückfragen bei der Gemeinde bestätigt Bürgermeister Robin Haseler den langen Ausfall einer Erziehungskraft und räumt ein, dass dies natürlich zu einer höheren Belastung aller Mitarbeiter in der Einrichtung führte. Haseler ergänzt zur Stellungnahme der Erzieherin: „Die daraus üblichen resultierenden Umplanungen der Dienste durch die Einrichtungsleitung, der Einsatz der Kollegen zur Unterstützung und Stellenausschreibungen des Trägers wurden bedauerlicherweise in der Darstellung ausgelassen. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass die Ausführungen nichts mit der Grenzüberschreitung, die meldepflichtig war, zu tun haben.“ Jetzt muss sich die Erzieherin in einem Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung verantworten.
Stellungnahme der Erzieherin
Über ihren Anwalt schilderte die betroffenen Erzieherin Folgendes: Sie habe an diesem Tag zur Mittagszeit zehn schlafende Kinder auf Grund von krankheitsbedingtem Personalausfall alleine betreut. Als zwei Kinder nacheinander aufgewacht seien, soll sie eines in eine Hängeschaukel gebracht und versucht haben, das andere im Nebenraum neben ihrem Schreibtisch wieder zum Schlafen zu bringen. Dort hätten Bastelmaterialien wie Schere und Klebstoff gelegen, die sie vor dem Aufwachen der restlichen Kinder wegräumen musste. Während ein Kind geweint habe und das andere in der Hängeschaukel unruhig geworden sei, soll sie eines der Kinder in einen Kinderstuhl gesetzt, dort mit einem Gurt angeschnallt in den Nebenraum hinter eine Glastür geschoben haben, um die anderen Kinder nicht zu wecken. Sie habe das Kind durch die Glastür jederzeit sehen und sofort eingreifen können, während sie die gefährlichen Materialien weggeräumt habe. „ Es handelte sich auch nicht um eine Erziehungs- oder gar Strafmaßnahme, sondern lediglich um eine kurze sichere Unterbringung des Kindes für den Zeitraum, den unsere Mandantin zum Abräumen ihres Schreibtischs benötigte“, heißt es in der Stellungnahme. Währenddessen soll der Leiter des Kindergartens ins Zimmer gekommen sein und gefragt haben, warum das Kind denn weine. Er bot an, es zu wickeln und für den Heimweg fertig zu machen. Nach dem Vorfall soll die Angeklagte - zusätzlich zu ihrer Beanstandung im August - der Kita-Leitung eine „Überlastungsanzeige“, die sie mit Zustimmung ihrer Halbtagskollegin erstellt hatte, übergeben haben. In dieser habe sie die Probleme geschildert, auf die gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen und personelle Maßnahmen zur Verbesserung der Situation beantragt. Kurze Zeit darauf soll die Erzieherin eine fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bekommen haben. Die Frage stellt sich, wer denn hier der Kläger war? Werden Versäumnisse unter den Teppich gekehrt und ein Bauernopfer gesucht oder die Geschehnisse auf der anderen Seite verharmlost? Zu beurteilen, was richtig oder falsch ist, liegt nun bei den Behörden.