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Ungerechtigkeit im Klassenzimmer?

09.06.2024, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
Collage fuer online Bildung

BAYER.UNTERMAIN (lf). In Bayern zur Schule zu gehen bedeutet, dass einem alle Türen offenstehen - oder? Eine neue ifo-Studie deckt schockierende Zahlen auf - Bayern ist auf dem letzten Platz, was gerechte Bildung angeht. Das bayerische Gymnasium soll das schwerste und das beste in ganz Deutschland sein. Alles schön und gut, aber was, wenn man gar nicht die Chance bekommt, es zu besuchen? Das Problem fängt nämlich schon in der Grundschule an…

Schon 2016 hat die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung enthüllt, dass Kinder aus der obersten Schicht eine viermal höhere Chance auf bessere Bildung haben, als andere Kinder. Und heute, acht Jahre später hat sich leider nichts geändert. Das Ergebnis des Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in München, kurz ifo, zeigt ganz deutlich: Zwischen den Bundesländern in Deutschland unterscheidet sich die Chancengleichheit enorm. Dazu vergleicht die Studie die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs für Kinder mit „niedrigerem“ und „höherem“ familiärem Hintergrund, also für benachteiligtere und privilegiertere Kinder. In die erste Gruppe fallen Kinder, die weder ein Elternteil mit Abitur haben, noch sich im oberen Viertel der Haushaltseinkommen befinden - in die zweite Gruppe fallen Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil Abitur hat und/oder sich im oberen Viertel der Haushaltseinkommen befinden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder aus unteren sozialen Schichten einen höheren Bildungsweg einschlagen, liegt in Bayern nur bei 38,1 Prozent - und damit sind wir deutlich Letzter im Bundesvergleich. Aber woran liegt das? Die Studie zeigt, dass die Aussichten der Kinder, ein Gymnasium zu besuchen auch im Jahr 2024 noch stark vom Einkommen und dem Bildungsstand der Eltern abhängig sind. Dieser Fakt weicht stark von dem Ideal der Leistungsgerechtigkeit ab.

„Andere Bildungswege
massiv herabgesetzt“
Auf PrimaSonntag-Nachfrage kritisiert die Kultusministerin Anna Stolz das ifo-Institut aber stark: „Die Studie setzt alle weiteren Schularten, Bildungs- und Berufswege massiv herab. Das ärgert mich sehr, denn wir brauchen alle Talente in diesem Land: Akademiker, genauso wie Handwerker, Erzieher oder Pfleger.“ Damit macht sie auf ein großes Problem aufmerksam: Die Wertminderung von anderen Abschlüssen oder Ausbildungen. Auch die Schulleitung der Erich Kästner Grundschule Alzenau, Claudia Lutz, findet die Studie alleine problematisch: „Um ein Mehr an Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, muss eine ganzheitliche Betrachtungsweise innerhalb und außerhalb des Bildungssystems gewählt werden.“ Trotzdem sollte jeder Schüler wenigstens die Chance bekommen, sich unabhängig von der sozialen Herkunft, allein durch die Leistung zu beweisen.

Lösungsangebote
von ganz oben
Leichter gesagt als getan. „Meiner persönlichen Meinung nach wird die genannte Studie möglicherweise anders ausfallen, sobald wir an allen Schulen eine Ganztagsbetreuung ermöglichen. Die muss personell sehr gut ausgestattet werden und an Nachmittagen sowohl mit Freizeitangeboten als auch mit gezielten Förderangeboten gestaltet werden“, so die Schulleiterin der Grundschule Stockstadt Annette Preiss. Allerdings ist das logistisch und kostentechnisch nicht immer möglich. „Ausreichendes Personal und passende Räumlichkeiten innen und außen sind Grundbedingungen.“ Es wird also noch eine Zeit lang dauern, bis dieser Gedanke umgesetzt werden könnte. Aber es tut sich tatsächlich etwas: Unser Aschaffenburger Landtagsabgeordnete Winfried Bausback hatte erst letzte Woche gute Nachrichten für eine Schule in der Stadt verkündet: Das Kultusministerium hat nämlich das „Startchancen-Programm“ für 100 Schulen im Freistaat Bayern ab dem Schuljahr 2025/2026 ins Leben gerufen. Eine dieser profitierenden Schulen ist die Aschaffenburger Dalberg Grund- und Mittelschule. Das Ziel ist es, „eine bessere Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg zu erreichen“, so das Kultusministerium. Dafür wurden die Ausgaben der Fördermittel von 1,4 Milliarden auf fast drei Milliarden Euro angehoben. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Geld auch wirklich der Bildung und den Chancen der Kinder zu Gute kommt und bald soziale Herkunft keine Rolle mehr bei der weiterführenden Schulwahl spielen wird. Klar ist dabei auch, dass die Schulen nur begrenzt Einflussmöglichkeiten haben, denn das Problem ist ein gesamt-gellschaftliches.

KW23 Bildungsgerechtigkeit1
Claudia Lutz sieht die ifo-Studie kritisch.
KW23 Bildungsgerechtigkeit2
Annette Preiss von der Grundschule Stockstadt