Von wegen besinnliche Weihnachtszeit?!

BAYER. UNTERMAIN (md). Draußen glitzern Lichterketten, es duftet nach Zimt und gebrannten Mandeln. Kinder zählen die Tage bis Weihnachten, die Erwachsenen hoffen auf Ruhe. Doch Fehlanzeige! Statt Stille Nacht gibt’s Termin-Tornado: Firmenfeier, Wichtelabend, Weihnachtsmarkt. Die eigentlich gemütliche Vorweihnachtszeit ist für viele längst ein Sprint geworden.
Die Vorweihnachtszeit gilt traditionell als besinnlich. Doch viele empfinden sie zunehmend als stressig. Wir haben mit dem Aschaffenburger Kommunikationsexperte Prof. Dr. Martin-Niels Däfler darüber gesprochen, ob das Stressempfinden tatsächlich gestiegen ist und welche Strategien helfen können. Marco Schwarzkopf, Vorsitzender des Aschaffenburger Einzelhandelsverbandes, erklärt, wie sich das Konsumverhalten verändert hat. Außerdem haben wir unsere Leser gefragt: Wie viel Weihnachtsstress spüren sie wirklich?
Konsum in der Vorweihnachtszeit heute und früher
Früher wirkte die Vorweihnachtszeit gemütlicher, gemeinschaftlicher und weniger konsumorientiert. Ein typisches Beispiel sind Adventskalender. Während früher ein einfacher Schoko-Kalender ausreichte, wurden 2024 26,4 Millionen verkauft, deutlich mehr als 2020. Und bei Schokolade bleibt es schon lange nicht mehr. Immer häufiger greifen Kunden zu teuren Premium-Kalendern mit Kosmetik, Gourmet-Leckereien oder Luxusartikeln. Auch Marco Schwarzkopf, Vorsitzender des Aschaffenburger Einzelhandelsverbandes, bestätigt: „Die Kunden kaufen insgesamt wertiger als früher. Früher hat der Weihnachtseinkauf schon Mitte Oktober angefangen. Heute merkt man bis zum Black Friday kaum etwas. Beim Black Friday ist das dann so, als gäb’s kein Morgen mehr.“ Die Vorweihnachtszeit hat sich damit vom ruhigen Einkaufsbummel hin zu konzentriertem, oft hochpreisigem Konsum gewandelt.
Mehr Konsum, mehr Druck, mehr Stress
Marco Schwarzkopf, Vorsitzender des Aschaffenburger Einzelhandelsverbandes beobachtet, dass weniger, aber hochwertiger gekauft wird.
Der veränderte Umgang mit Konsum und die Fokussierung auf wenige Einkaufstage wirken sich deutlich auf die Vorweihnachtszeit aus. Was früher ein entspannter Advent war, verdichtet sich heute zu hektischen Tagen voller Kaufdruck und Erwartungen „Das Stresserleben in der Bevölkerung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Studien von Krankenkassen wie der Technikerkrankenkasse und dem DRK zeigen immer wieder, dass das individuelle Stresserleben zunimmt. Vor Weihnachten potenziert sich diese Mehrfachbelastung durch Job, Familie und private Verpflichtungen noch einmal“, erklärt Prof. Däfler. „Man muss lernen, auch mal nein zu sagen und seine Grenzen zu setzen. Es sind im Prinzip zwei Dinge. Zum einen klar zu definieren: Was mache ich mit und was nicht, und ohne schlechten Gewissens nein zu sagen und natürlich auch früh genug anzufangen. Es ist einfach selbstgemachter Stress, der nicht sein muss.“
Das sagen unsere Leser

„Ich bin noch besinnlich. Ich bin allerdings auch schon etwas älter. Der moderne Mensch ist nämlich nicht so wie wir alten Leute.“

"Ich finde schon, dass die Leute immer mehr wollen. Immer teurere Sachen und immer mehr Markenklamotten.“

"Ich lasse ich mich gar nicht in den Stress hineinziehe. Wenn ich in der Stadt bin, dann fühle ich mich wohl und bin entspannt. Ich brauche auch nicht diese teuren Adventskalender. Da verzichte ich gerne darauf. Ich versuche, mich da abzugrenzen und mein eigenes Ding zu machen.“

„Ich kann keine Veränderungen bemerken. Ich lasse mich normalerweise auch nicht stressen. Es geht Tag für Tag auch ohne Stress. Auch in der Vor- und Nachweihnachtszeit.“

„Früher war es besinnlicher. Heute ist vieles auf Konsum ausgerichtet. Je größer das Geschenk, umso besser. Ich mache keine Riesengeschenke. Ich mache das, was persönlich ist, und das finde ich eigentlich gut: etwas, das jemandem gefällt oder das er braucht. Wenn man sich das heute anschaut mit Black Friday, das geht ins Uferlose. Auch ein Adventskalender: Wer kann sich einen Adventskalender für über 100 Euro leisten? Letztes Jahr habe ich fünf Adventskalender für meine Kinder selbst gebastelt. Und mir hat das richtig Spaß gemacht.“

„Ich lasse mich nicht so stressen. Das ist eigentlich das Einzige, was man dagegen unternehmen kann. Es ist schwierig zu beantworten. Ich denke, der Stress ist derselbe. Früher waren die Leute auch gehetzt.“