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Wegschauen geht nicht!

09.11.2025, 08:00 Uhr in PrimaSonntag
KW45 Mobbing Schule

HÖSBACH (lb). Tränen, Angst, Schweigen - Mobbing und die schweren psychischen Folgen sind längst kein Randproblem mehr. Statistisch gesehen hat jedes sechste Kind Mobbing erlebt, jedes zehnte Kind hat schon einmal selbst gemobbt. Der Aschaffenburger Lehrer Christian Lübke weiß aus seinen bisherigen Erfahrungen, wovon er spricht und erklärt, warum Wegschauen gefährlich ist. Er erinnert sich dabei besonders an eine Schülerin. „Sie würde seit Wochen von der gesamten Klasse massiv gemobbt auf dem Schulweg bedroht werden, erhält WhatsApp Nachrichten und es wurden sogar Fotomontagen von ihr herumgeschickt. Prügel wurden ihr auch permanent angedroht“, so Lübke. Seit über zehn Jahren lässt den Lehrer seine erste Erfahrung mit Mobbing nicht los. Früh hat er gemerkt, wie machtlos Schüler gegenüber einer Schulklasse sein können.

Lübke erzählt: „An meiner aktuellen Schule, der FOS Aschaffenburg, existiert dieses Phänomen tatsächlich sehr selten. Das liegt hauptsächlich am Alter der Schüler.“ Mobbing ist meist oberflächlich. Es reicht, nicht die angesagten Klamotten zu tragen oder das neuste I-Phone zu haben, um gemobbt zu werden. Auch die Pubertät ist ein häufiger Grund für Auseinandersetzungen. „Ja, auch kurze Episoden und einzelne Ereignisse sind Mobbing“, betont Lübke. Meist denkt man bei Mobbing an einen längeren Zeitraum, doch auch einmalige Beleidigungen können Mobbing sein und sollten ernst genommen werden.

An fast jeder Schule wird Mobbing durch Hilfskräfte oder Präventionsprogramme vorgebeugt. Jedoch reicht das nicht immer aus, um eine Eskalation zu verhindern. „Natürlich ist es gut, dass es Angebote wie Schulpsychologen oder Vertrauenslehrer gibt. Dass Jugendliche sich Hilfe holen, passiert jedoch selten.“ Wenn der Mobbingfall aktuell ist, hilft keine Prävention. Die direkte Konfrontation ist der einzige Lösungsweg. „Ich suche immer sofort das Gespräch - mit allen Betroffenen. Diese fünf Minuten sollte jeder Lehrer haben und sich gerne nehmen. Man muss sofort handeln, da jeder Tag, an dem nichts passiert, den Mobber bestärkt und das Opfer schwächt“, klärt Lübke auf. Die Kinder sollten das Gefühl bekommen, ernst genommen zu werden. Jeder Tag des Wartens führt dazu, dass ein Schüler sich nicht gesehen fühlt. „Oft hilft zur Lösung schon ein Gespräch unter sechs Augen“, so der Lehrer. Ebenfalls sollten die Eltern immer involviert werden. „Die sind häufig selbst geschockt, zu was ihre Kinder fähig sind.“

„Lehrer machen eh nichts“
Schüler der weiterführenden Schule sind durchschnittlich 44 Stunden in der Woche mit Schule beschäftigt. „Wir sind neben den Eltern und Freunden die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder in ihrem Alltag. Wegschauen geht nicht! Eingreifen und Handeln, sobald einem etwas auffällt.“ Wie richtig eingegriffen werden muss, lernen die Lehrer auf Fortbildungen und im Kontakt untereinander. „Erfahrungsberichte helfen uns immer“, bestätigt auch unser Befragter. Nachdem die Eltern vom Mobbingfall ihres Kindes erfahren, passiert es oft, dass sie den Klassenlehrer beschuldigen, dass er eine Auseinandersetzung nicht verhindert hat. Christian Lübke verdeutlicht: „Es ist immer sehr leicht, den Lehrern Vorwürfe zu machen. Wir sind keine Hellseher. In einem Raum mit teilweise über 30 Kindern ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. Vorwürfe sind angebracht, wenn man davon erfährt, sich dann aber nicht kümmert und das Problem nicht erst nimmt.“ Seit fast zwei Jahrzenten ist das sogenannte Cybermobbing präsent. Kinder werden nicht nur in der Schule mit verletzenden Kommentaren konfrontiert, sondern auch von zu Hause über die sozialen Medien. „Nicht nur Kinder sind davon betroffen.“ Egal, ob jung oder alt, Seelenprobleme anzusprechen hilft bekanntlich der mentalen Gesundheit. „Wenn man sich nicht traut, seinen Lehrer anzusprechen, dann vielleicht Mitschüler oder Freunde und Familie außerhalb der Schule. Man ist nie alleine, auch wenn man manchmal das Gefühl hat“, stellt Lübke klar. Mehr über seine Erfahrungen zum Thema Mobbing sowie Lösungsstrategien hat er in seinem Buch „Ihr & Ich - Raus aus dem Abseits“ veröffentlicht.