Wenn die Seele schwer wird

BAYER. UNTERMAIN (mg). Depression ist mehr als nur ein schlechter Tag oder eine vorübergehende Traurigkeit. Es handelt sich um eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln tiefgreifend beeinflusst. In Deutschland erkrankt etwa jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens an einer Depression. Typische Symptome sind Antriebslosigkeit, anhaltende Traurigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und das Gefühl innerer Leere. Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme können ebenfalls auftreten. Viele Betroffene ziehen sich zurück, aus Angst, nicht verstanden zu werden.Hilfe ist möglich - und der erste Schritt ist, darüber zu sprechen, so wie es Christian Galvano aus Kleinwallstadt getan hat…
Die Ursachen einer Depression sind vielfältig. Genetische Veranlagung, chronischer Stress, traumatische Erlebnisse oder hormonelle Veränderungen können eine Rolle spielen. Wichtig ist: Depression ist keine Schwäche, sondern eine Erkrankung - und sie ist behandelbar. „Betroffene hinterfragen sich ständig. Sie kontrollieren und checken, ob sie irgendwelche Symptome an sich feststellen. Und wenn dann irgendwas zusammenpasst, was man bei ‚Doktor Google‘ findet, erschrecken die Menschen“, berichtet uns der Aschaffenburger Psychologe Jürgen Junker. Das löst natürlich eine Verunsicherung bei den Betroffenen aus - was dafür sorgen kann, dass die Emotionen weiter in den negativen Bereich absinken. Junker ergänzt: „Je mehr ich das Gefühl habe, ich habe diese Symptomatik, ziehe ich mich immer mehr zurück und das belastet die Menschen zunehmend.“ Psychotherapie, Medikamente oder eine Kombination aus beidem können helfen. Auch der offene Austausch mit vertrauten Personen und ein unterstützendes Umfeld sind wertvoll. Depressionen können weitere gesundheitliche Probleme auslösen, deshalb ist es wichtig, sich so früh wie möglich Unterstützung zu suchen, berichtet Junker: „Sie können davon ausgehen, dass bei fast allen depressiven Zuständen oder auch Erkrankungen die Belastungen durch Stressfaktoren, Beruf und Familie oder krisenhafte Ereignisse steigt. Das gilt generell auch für alle möglichen medizinischen Erkrankungen, weil durch den Stress oder durch die emotionale Veränderung, die hervorgerufen wird, natürlich auch die Anfälligkeit steigt, an weiteren Themen zu erkranken.“
Depression ist nicht gleich Depression
Depressionen lassen sich grob in zwei Hauptgruppen unterteilen: reaktive und endogene Depressionen. Bei einer reaktiven Depression steht ein klar erkennbarer Auslöser im Vordergrund – etwa der Verlust eines geliebten Menschen, beruflicher Stress oder eine Trennung. Die Symptome entstehen als direkte Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis, so Psychologe Junker: „Häufig ist es der Fall, dass ich zunehmend erschöpft und belastet bin oder ich chronisch unter Stress leide und nicht abschalten kann. Es kann auch sein das Dinge, die mir vorher Energie gegeben haben, beschädigt wurden. Zum Beispiel kann ich eine bestimmte Sportart nicht mehr ausüben. Oder ich erlebe, dass Dinge, die mir wichtig sind, einfach nicht mehr gehen, alters- oder zeitmäßig oder über Entscheidungen, die ich vielleicht auch selbst getroffen habe. Ich leide aber trotzdem zunehmend unter einem Entzug dieser positiven Gefühle.“ Im Gegensatz dazu hat die endogene Depression keine erkennbare äußere Ursache. Sie scheint „von innen heraus“ zu entstehen, vermutlich durch ein Zusammenspiel von genetischen, biologischen und neurochemischen Faktoren. Während reaktive Depressionen oft vorübergehend und situationsbedingt sind, können endogene Depressionen chronischer verlaufen und eine intensivere medizinische Behandlung erfordern.
Strom im Kopf
Der Kleinwallstädter Christian Galvano trägt einen Gehirnschrittmacher, um seine Depressionen zu behandeln. Er hat eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich. „Die erste depressive Phase hatte ich 2009, etwa mit 20.“. Was folgte, war eine jahrelange Odyssee durch das medizinische System: mit Psychopharmaka, Elektrokrampftherapie, Ketamininfusionen - nichts half dauerhaft. Erst als letzte Option blieb die tiefe Hirnstimulation, ein operativer Eingriff am Gehirn. In seiner linken Brust sitzt jetzt ein Gerät, das Strom über ein Kabel in spezielle Bereiche seines Gehirns weiterleitet - und das bisher mit großem Erfolg für seine Heilung. Mit einer Art Fernbedienung lässt sich die übertragende Stromstärke steuern. Galvano ist studierter Neurowissenschaftler und beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Depressionen. „Ich wollte wissen, warum verhält sich der Mensch so, wie er sich verhält“, erzählt uns Galvano. Jetzt hat er ein Buch rausgebracht, um anderen Betroffenen zu helfen. Darin klärt er über Depressionen auf und spricht von seinen eigenen Erfahrungen. Die Hälfte der Einnahmen werden an den Verein „Wegweiser für Bedürftige und Obdachlose e. V“ gespendet.
Das Buch finden Sie unter:
https://strom-im-kopf.de/
Was kann ich tun?
Menschen mit Depressionen kapseln sich häufig ab - auch von Dingen und Tätigkeiten, die ihnen positive Erlebnisse und Energie geben könnten. Deshalb ist es wichtig, eine Struktur zu entwickeln, die positive Erlebnisse und kleine Fortschritte ermöglicht. „Man kann als Freund oder Familie nicht mehr machen als Angebote zu unterbreiten und da zu sein.“ Er rät: Auch wenn jemand nicht so gut drauf ist, trotzdem gemeinsame Zeit zu verbringen. Unternehmen Sie gerne etwas, das Ihnen beiden gut tut, auch wenn man sich nur auf einen Tasse Kaffee oder zum Spaziergang trifft. „Das ist ein Signal, dass andere sich kümmern - weil das Wegfallen von sozialen Ressourcen und Kontakten zusätzlich belastet“, so Junker. Wichtig ist, den Menschen nicht nur zu korrigieren oder zu widersprechen. Je nachdem, an welchem Punkt jemand steht, verfestige dieses negative Diskutieren so den Zustand. Überlegen Sie lieber: Wie erleben wir einem Moment zusammen, der uns beiden gut tut?
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