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"Wir vermissen unsere Heimat so sehr"

26.02.2023, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
Ukrainische Frauen 1

ASCHAFFENBURG (kh). Am Freitag vor genau einem Jahr saßen wir alle gebannt vor dem Fernseher und konnten nicht glauben, was nur zwei Länder weiter geschah: Putin marschierte mit militärischer Gewalt in die Ukraine ein. Seitdem ereilen uns täglich Bilder von Leid, Tod und Zerstörung. Auch unsere Region spürte die Folgen des russischen Angriffskrieges - sei es bei der Aufnahme und Integration von ukrainischen Geflüchteten oder der Energiekrise. Wie schauen die PrimaSonntag-Leser ein Jahr später auf diesen Krieg? Und wie geht es Ukrainern, die bei uns zunächst eine neue Heimat gefunden haben?
Der Ukraine-Krieg hat Europa mitten ins Herz getroffen. Denn dass Putin dieses Land angegriffen hat, ist als Angriff auf den westlichen Freiheitsgedanken zu verstehen und auch so betitelt worden. Seither ist alles anders. Ob Energiekrise, Inflation oder eine neue Flüchtlingsproblematik, die die Gemeinden zu bewältigen versuchen. Dieses Jahr ist nicht spurlos an uns vorbei gegangen. Aber vor allem trifft es natürlich die Menschen, die seither traumatische Erlebnisse zu verarbeiten haben. Denn die eigene Heimat in solch einem Zustand zurückzulassen, bringt eine Bürde mit sich, die sich unsereins kaum vorstellen kann. Wir haben Yuliia Shtefan und Viktoriia Mladkova getroffen, die genau das durchmachen mussten

Drei Bomben
eingeschlagen
Yuliia Shtefan ist am 19. März in Deutschland angekommen. Sie hat über eine Freundin, die in Kontakt mit der Caritas steht, den Weg nach Aschaffenburg gefunden. „Am 24.Februar sind bei mir daheim insgesamt drei Bomben eingeschlagen und am nächsten Tag auch wieder drei“, berichtet sie von den Ereignissen vor einem Jahr. Sie hat es erst gar nicht begreifen können, dass in ihrer Heimat tatsächlich ein zerstörerischer Krieg tobt. Ihre Stadt ist vom Bergbau geprägt - deshalb waren Explosionen erst nichts Besonderes. Als dann klar war, dass Russland wirklich Krieg führt‚ ist sie mit dem Zug mit ihrer Tochter nach Deutschland geflohen. Ihr Mann ist seitdem im Militärdienst vor Ort. Hier hat Yuliia zunächst als Putzfrau in einem Poker-Club gearbeitet, gibt jetzt aber bei der Caritas Bauchtanzkurse, hilft ehrenamtlich in der Kleiderkammer und lernt sehr schnell gutes Deutsch zu sprechen. „Ich liebe Aschaffenburg, denn ich habe hier viele Freunde gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt sie. „Ich möchte jetzt erstmal hier bleiben, aber wenn der Krieg vorbei ist, möchte ich sofort wieder nach Hause in die Ukraine zu meinem Mann. Ich vermisse ihn sehr.“

„Die Menschen haben
kein Zuhause mehr“
Ebenfalls in Aschaffenburg angekommen ist Viktoriia Mladkova. Sie flüchtete aus Charkiv. Auch diese Stadt wurde massiv bombardiert. Vieles ist zerstört - die Menschen vor Ort haben kein Zuhause mehr. „Viele meiner Bekannten und Freunde aus Charkiw sind mittlerweile tot“, berichtet sie, „Der Krieg kam so plötzlich und keiner hatte jemals damit gerechnet.“ Vor einem Jahr ist sie mit ihrer Mutter mit dem Auto vier Tage lang über Polen nach Deutschland geflohen: „Ich habe Bomben gehört. Meine Stadt ist nur 40 km von Russland entfernt. Ich habe in gefühlten 30 Sekunden meine Tasche gepackt und bin mit meiner Familie ins Auto gesprungen. Dann sind wir aus Charkiw rausgefahren. Über uns ist ein russisches Flugzeug geflogen und hat die Stadt bombardiert. Auf einmal war alles, was ich kannte, kaputt.“

Sie hat von einer Freundin die Nummer von einem Freiwilligen in Polen erhalten und ist dann mit ihm nach Deutschland gefahren. Jetzt wohnt sie in Glattbach und hat einen Minijob in einem Café in Aschaffenburg, lernt dabei, fleißig Deutsch zu sprechen. „Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass der Krieg endlich aufhört und ich wieder nach Hause kann.“

So erinnern sich die Leser an den Angriff:

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 1
Marion Seikel aus Alzenau

„Das ist eigentlich schon viel zu lange. Allein die Tatsache, dass Krieg in Europa überhaupt stattfindet, ist schlimm, aber dass es jetzt schon ein Jahr andauert, ist mehr als das. Ich habe davon durch die Medien erfahren und mir ging es damit gar nicht gut. Ich hatte Angst, dass das Ganze dann zu uns rüberschwappt.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 2
Gabriele Hellmann aus Aschaffenburg

„Ja ich finde es schrecklich, dass der Krieg ausgebrochen ist. Dass die Menschen sich nicht anders verstehen. Die Merkel konnte das vorher nicht wissen, denn jeder Mensch geht positiv auf andere zu und dass dann was Negatives dahinter steht, weiß man ja nicht. Es ist schade, dass keine Verhandlungen für den Frieden kommen.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 4
Peter Milpacher aus Aschaffenburg

„Naja, ich bin erstaunt, dass es geklappt hat, dass sich der Widerstand der Ukraine so durchsetzen kann. Vor allem die schnellen Möglichkeiten, wie sich die Weltbevölkerung nicht nur materiell, sondern auch ideell zusammengefunden hat. Trotzdem erschüttert es mich, dass so ein Überfall in Europa überhaupt möglich sein konnte.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 5
Anton Fölker aus Hösbach

„Es ist nicht in Ordnung. Je schneller dieser Schrecken zu Ende ist, desto besser. Ich war schon ein bisschen geschockt, dass es so weit gekommen ist. Obwohl es so viele Vorwarnungen gab, hat es nie jemand geglaubt und jetzt haben wir halt den Mist.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 6
Lutz Niedan aus Johannesberg

Es war ein Schock. Der Krieg hat die Situation nach der Pandemie nochmals verschärft. Ich hatte große Angst, dass das noch weitere Kreise zieht als nur in der Ukraine. Jetzt ist Zeit für Diplomatie statt für Waffenlieferungen.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 7
Edith Brücke aus Aschaffenburg

„Das hätte damals keiner geglaubt, dass es soweit kommt. Ich kann nur hoffen, dass der Krieg bald ein Ende findet. Ich war selbst schon in der Ukraine, es ist fürchterlich, was da passiert.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 8
Peter Bikerich aus Aschaffenburg

„Ich komme aus einer Generation, die die Nachwehen des zweiten Weltkrieges mitbekommen hat und da hat man sofort eine Vorstellung, was da passiert. Es ist wirklich dramatisch. Wenn man die Fernsehbilder sieht, wird man sofort depressiv.“

KW08 Jahrestag Ukrainekrieg 9

„Ich konnte es nicht glauben. Man hat ja schon die vielen Panzer gesehen, dass da niemand was unternommen hat, war für mich unverständlich. Aber auch ein Jahr nach Kriegsbeginn ist meine Solidarität mit den Ukrainern groß.“