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Wohin mit unseren Senioren?

27.08.2023, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
Senioren

BAYER. UNTERMAIN (jm). Sie haben jahrelang hart gearbeitet, unsere heutige Welt mit aufgebaut – und jetzt wissen wir nicht wohin mit ihnen? Die IG BAU nennt beunruhigende Prognosen für altersgerechten Wohnraum in unsere Region. PrimaSonntag hat mit den Kommunen und der Pflege gesprochen: Ist die Problematik für uns noch zu stemmen?

„In den kommenden Jahren werden immer mehr ältere Menschen eine barrierearme Wohnung brauchen – ohne Treppenstufen, dafür mit bodengleicher Dusche und genügend Platz für das Rangieren mit Rollator und Rollstuhl“, erklärt Michael Groha, Bezirksvorsitzender der IG BAU Mainfranken. Laut einer Pressemitteilung werden in zwanzig Jahren in Aschaffenburg über 2.900 Wohnungen gebraucht, in denen Menschen mit einem Rollator oder Rollstuhl klarkommen – im Kreis Miltenberg sind es sogar 5.700. Die Industriegesellschaft befürchtet diesen Mangel aufgrund der kommenden Rentengeneration der „Baby-Boomer“. Dieser Missstand ist allerdings kein reines Problem der Zukunft. Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen bereits heute mehr als 4.500 Haushalte im Kreis Miltenberg eine Seniorenwohnung, weil in ihnen Menschen im Rentenalter leben, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Für Aschaffenburg kommt die Studie auf 2.350 Haushalte.

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Michael Groha, Bezirksvorsitzender der IG BAU Mainfranken

Eine zentrale Aufgabe
Aber wie gut sind unsere Kommunen auf die kommenden Jahre vorbereitet? „Neben der Schaffung von barrierefreiem Wohnraum ist besonders der Umbau bestehender Wohnungen eine zentrale Aufgabe“, berichtet eine Sprecherin des Landratsamtes Miltenberg auf unsere Nachfrage. Im Kreis ergänze deshalb die Fachstelle Wohnberatung seit Februar 2021 das Beratungsangebot der Beratungsstelle für Senioren und pflegende Angehörie. „Aus der Praxis heraus können wir den sehr hohen Bedarf an Wohnraum sowohl für jüngere als auch für ältere Menschen bestätigen. Besonders betroffen sind hiervon Personen mit eher geringen finanziellen Möglichkeiten.“ Der Kreis Aschaffenburg realisiert als Mitgesellschafter an der Wohnungsbaugesellschaft Landkreis Aschaffenburg mbH (WLA) geförderten und barrierefreien Wohnraum. „Die zentrale Herausforderung bleiben die dafür zur Verfügung stehenden Grundstücke“, erklärt Sven Simon, Sprecher des Landratsamtes. „Derzeit gehören und vermietet die WLA 150 Wohneinheiten. Im Bau befinden sich aktuell neun weitere Wohneinheiten und für die kommenden Jahre werden weitere geplant. Und auch in der Folgezeit werden wir nicht nachlassen, gemeinsam mit unseren Gemeinden Wohnraum zu schaffen.“ Auch Jessica Euler, Bürgermeisterin von Aschaffenburg und Leiterin des Referats für Jugend, Schule und Soziales sieht die Kommunen vor großen Herausforderungen. „Allerdings darf man dies nicht Schwarzmalen. Die Kommunen haben dies in der Regel im Blick und reagieren, so auch die Stadt Aschaffenburg. In Aschaffenburg wird alle 5 Jahre der Seniorenpflegebedarfsplan erstellt, um auf Entwicklungen reagieren zu können.“ Allerdings bedeute barrierefrei nicht rollstuhlgerecht. „Dies muss grundsätzlich beachtet werden. Wohnungen für Rollstuhlfahrer müssen noch andere Kriterien erfüllen, z.B. bei der Breite der Türrahmen, bei der Höhe der Lichtschalter, der Waschbecken, der Dusche etc. Manches kann man nachrüsten, anderes wiederum nicht.“

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Jessica Euler Foto: Björn Friedrich

„Wer soll das bezahlen?“
Diese Wohnungsnot hat natürlich auch massive Auswirkungen auf die Pflege. „In der täglichen Praxis spiegeln sich diese Trends deutlich wider“, berichtet Theresa Sorger vom Caritasverband für den Landkreis Miltenberg. „Für einen durchaus hohen Anteil ist das Thema Barrierefreiheit zuhause ein entscheidender Faktor bei der Frage: Muss ich irgendwann meine gewohnten vier Wände verlassen und in ein Pflegeheim gehen?“ Auch die Gefahr der steigenden Altersarmut geht mit dem Problem Hand in Hand. „Menschen ohne große Rücklagen werden Probleme bekommen.“ Laut Jessica Euler erhalten Menschen mit einer geringen Rente Grundsicherung oder Wohngeld. „Dennoch sind steigende Mieten und geringe Renten natürlich ein Problem und es muss auf allen Ebenen dazu nachgesteuert werden.“ Die demografische Entwicklung zeige schon länger, dass es mehr Senioren als junge Menschen geben wird. „Bei uns in der Pflege fehlen jetzt schon Pflegekräfte“, kritisiert Sorger. „Es werden in Zukunft immer mehr Pflegebedürftige für zu wenige Pflegekräfte. Wer soll das bezahlen?“ Der Caritasverband Miltenberg ist in entsprechende Projekte involviert. Als neue Wohnform habe man zudem eine ambulant betreute Seniorenwohngemeinschaft in Bürgstadt initiiert. Trotzdem steht uns eine große Herausforderung bevor - denn das könnte erst der Anfang sein.