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Beim Schafkopfspielen zum BVB gewechselt

09.04.2023, 06:00 Uhr in PrimaSonntag
KW14 Willi Neuberger1

BAYER. UNTERMAIN (mg.). Der erste Spieler, der jemals auf 500 Bundesligaeinsätze kam, Platz acht der Bundesliga-Rekordspieler und Europapokal- und zweimaliger DFB-Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt: Willi Neuberger war einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer aller Zeiten - und das, obwohl er bis zu seinem 20. Lebensjahr bei seinem Heimatverein TuS Röllfeld spielte.

„Das wäre heute ja nicht mehr vorstellbar“, lacht Willi Neuberger als wir ihn in seinem heutigen Zuhause in Hainburg treffen. Ein Wechsel von Röllfeld zu Borussia Dortmund kommt tatsächlich eher selten vor. Erfahren von dem Interesse der Schwarz-Gelben hat er auf eine außergewöhnliche Weise: „Freitagabends war immer Schafkopf. Plötzlich kam meine Mutter ganz aufgeregt rein und sagte, ich müsse heim, da wär einer von Dortmund.“ Der Fußball-Obmann der Borussia stand tatsächlich bei dem jungen Willi vor der Tür - das war 1966. „Der hat zu mir gesagt: Du kriegst einen Vertrag bei uns - und das ohne Probetraining!“ Beim Kartenspielen im Anschluss konnte er sich kaum noch konzentrieren. „Ich habe gedacht, mich veräppelt hier einer.“ Einige Tage später kam der damalige Vizepräsident des BVB, Rudi Lückert, aber tatsächlich zur Vertragsunterzeichnung nach Röllfeld. 30.000 Mark kassierten die Röllfelder damals sowie ein Abschiedsspiel in Großwallstadt vor 10.000 Zuschauern. Eigentlich war Willi zwei Jahre zuvor schon auf dem Sprung zu Viktoria Aschaffenburg. Ein neues Auto sollte als Prämie winken. Der Röllfelder Horst Zengel überzeugte den damals 18-Jährigen aber, noch ein Jahr zu bleiben, weil man sich eine zukünftige Ablöse nicht mit den Aschaffenburgern teilen wollte. Bei der Meisterschaftsfeier von der B- in die A-Klasse im darauffolgenden Jahr hatte auf einmal ein Verantwortlicher von Kickers Offenbach seinen Pass in der Tasche. „Ich sollte zu den Kickers, aber den Pass haben sie ihm dann wieder abgenommen.“ Neuberger blieb noch ein Jahr in der Heimat, bis dann der BVB anklopfte. „Ich bin am 30. April mit zwei Koffer in Röllfeld losgefahren, um am 5. Mai saß ich beim Europapokalsieg der Dortmunder gegen Liverpool in Glasgow auf der Tribüne.“

„Bring doch mal den Spargeltarzan“
„Und da sollte ich von der A-Klasse aus reinkommen, in so eine Mannschaft! Rudi Assauer sagte dann zu dem Trainer, er solle doch mal den Spargeltarzan bringen. Und dann machte ich in meinem ersten Jahr 26 von 32 möglichen Spielen.“ In seinem ersten Jahr etablierte sich der Jungspund auf der halblinken Position. Sein Tempo, seine Technik und seine Vielseitigkeit machten ihn zu einem echten Publikumsliebling, der auf fast allen Positionen eingesetzt werden konnte. Fünf Jahre blieb er dem Ruhrgebiet treu, seinen größten Erfolg feierte er dort aber abseits des Platzes. Nach einem Freundschaftsspiel, in dem er sich verletzte, machten er und Teamkollege „Hugo“ Groppe auf dem Heimweg einen kurzen Zwischenstopp in der Disko Metronom. „Eigentlich wollte ich heim, aber Hugo nervte mich solange, bis ich Ja gesagt habe. Dort haben wir dann zwei Bier getrunken und da habe ich meine Frau gesehen. Ich habe sie angesprochen und gesagt: ‚Ich kann zwar gerade nicht tanzen, aber wir können uns ja für nächste Woche verabreden. ‘“ Noch heute sind Willi und Helga Neuberger glücklich vereint.

Selbst ist der Mann
In seinem zweiten Jahr beim BVB wurde er zum Nationalspieler. Es blieb allerdings bei zwei Einsätzen. „Ich sollte eigentlich noch ein paar Mal spielen, aber Helmut Schön war irgendwie nie so auf meiner Seite.“ Über die Stationen Bremen und Wuppertal landete er schließlich bei der Frankfurter Eintracht. „Ich habe mich eigentlich selbst verkauft. Wuppertal hatte große Geldprobleme und ich wusste, dass Frankfurt auf zwei Positionen einen neuen Mann brauchte.“ Er stellte Kontakt zur Eintracht her, holte ein Scheck für 440.000 DM, fuhr zurück nach Wuppertal und tauschte den Scheck gegen seinen Pass aus. Ein halbes Jahr später feierte er seinen ersten DFB-Pokalsieg mit den Adlern. „Ich bin in Frankfurt ganz gut eingeschlagen und wurde von den Großen - Grabbi, Nickel und Hölzenbein - anerkannt. Wenn der Nickel gesehen hat, dass du kicken kannst, hat er nichts mehr auf dich kommen lassen.“ 1980 wurde er mit der SGE gegen Gladbach Europapokalsieger, für lange Zeit der größte Erfolg in der Geschichte der Adler. Ein Jahr später kam dann der zweite DFB-Pokalsieg dazu. Für den Führungstreffer sorgte Neuberger mit einem Dropkick aus der zweiten Reihe: „Zentimeter! Wenn ich den ein klein bisschen höher treffe, geht er in die Wolken.“ Ein echtes Pfund! Frankfurt triumphierte mit 3:1 gegen Kaiserslautern. 1983 beendete er seine Karriere im Alter von 37 Jahren. Sein Herz schlägt heute sowohl schwarz-gelb als auch schwarz-weiß-rot. Auf dem Fußballplatz trifft man ihn heute eher weniger, die Spiele verfolgt er vor dem Fernseher. Dafür trifft man ihn öfter auf einem anderen Grün: die Liebe zum Golf entstand in seiner Frankfurter Zeit - seit über 40 Jahren ist er Mitglied im Hanauer Golfclub und auch noch heute regelmäßig am Abschlag zu finden.

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Unser Reporter überraschte Neuberger mit einem Ball mit den Unterschriften aller DFB-Pokal-Gewinner aus dem Jahre 1975 - seine eigene fand er recht schnell.