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„Meine Reise zum Dach der Welt“

28.04.2024, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
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- Florian Bauer nimmt es mit 160 Kilometern und über 11.000 Höhenmetern auf:

LEIDERSBACH / NEPAL. Vorweg: Seitdem ich denken kann, faszinieren mich die Berge. Schon immer strahlen sie für mich Ruhe und Kraft aus und sind der Ort, an dem ich am besten zu mir selbst finden kann. Und seit ich ein kleiner Knirps war und mein Papa mir von den größten Bergen der Welt im Himalaya erzählt hat, faszinierten diese „Riesen“ mich noch mehr. Seit Jahren verschlinge ich Bücher, Dokumentationen und Filme und in den letzten Jahren kristallisierte sich immer mehr ein Lebenstraum heraus: einmal inmitten der größten Berge der Welt stehen und vor allem den Größten von ihnen, den Mount Everest, zu sehen und dessen Base Camp zu erreichen. Dieses Abenteuer ging ich im April 2024 an.

Die Umsetzung dieses Traums stellte sich durchaus als schwierig heraus, denn eine solche Reise benötigt einiges an Vorbereitung. Nicht nur braucht man das nötige Equipment, die richtigen Flüge, sondern natürlich auch die körperliche Verfassung. Vor ziemlich genau einem Jahr fasste ich dann mit meiner Frau den Entschluss, es endgültig anzugehen - schwups, die Flüge waren gebucht und die Vorbereitung konnte so richtig losgehen. Seitdem stand für mich mehrfach die Woche im Fitnessstudio schwitzen und quälen auf dem Programm, zusätzlich viele Bergtouren in den Alpen. Mindestens genauso wichtig wie die körperliche Vorbereitung ist aber auch die mentale. Es muss einem klar sein, dass man seinen Körper einigen Schwierigkeiten aussetzt, die man so bei uns nicht findet. Thema Höhe: man startet den Trek zum Base Camp in Lukla, das auf rund 2.900 Metern liegt - also so hoch wie die Zugspitze. Durchgehend hat man also mit der dünnen Höhenluft zu kämpfen, dazu kommt eine Belastung von durchschnittlich 16 Kilometern am Tag und durchschnittlich 1.000 Höhenmeter dazu. Dass es einem in dieser Zeit immer gut geht, ist vollkommen auszuschließen und man muss sich bewusst sein, dass man sich sehr viel wird quälen müssen. Die Frage, ob mir die Erfüllung dieses einen Traums das alles wert ist, habe ich sehr schnell mit einem „Ja“ beantwortet und nach viel Schweiß im Fitnessstudio und in den Bergen ging es am Karfreitag 2024, der 29. März, los.

Ich kam am 30. in Kathmandu an und wurde von Sukra Rai, dem Organisator meiner Reise, herzlich begrüßt. Die Menschen in Nepal sind einfach toll, sind immer nett und am Lächeln. Leider muss ich mir mittlerweile zugestehen, dass mich die Stadt Kathmandu nicht in ihren Bann ziehen konnte, ganz im Gegenteil sogar sehr demotiviert hat. Erst nach vielen Videotelefonaten mit meiner Frau und vielen aufmunternden Nachrichten von Freunden, hatte ich wieder Motivation gefunden und freute mich dann doch sehr auf den Trek.

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Tagebuch

1. Tag
So wurde ich von meinem Guide Aakash früh am 1. April am Hotel abgeholt und wir machten uns auf zum Flughafen, von wo es nach Lukla gehen sollte. Dieser Ankunfts-Flughafen gilt als der gefährlichste der Welt, seine Landebahn ist ansteigend und sehr kurz. Dementsprechend war der Flug auch in einem kleinen Propellerflugzeug. Dieses hoppelte durch die Luft und setzte anschließend mit einer brachialen Bremsung auf. Halleluja, das wäre überstanden. Anschließend ging es durch Lukla und vorbei an verschiedenen Checkpoints, an denen man sich registrieren musste. So wird hier sichergestellt, dass auch jeder wieder zurückkommt. Anschließend ging es rund zwei Stunden meist bergab nach Phakding, wo unsere erste Lodge wartete. Diese sind immer gleich aufgebaut, es gibt einen Gemeinschaftsraum der beheizt ist und dann viele Zimmer, die weder gedämmt noch geheizt sind. Hier war das aber noch kein Problem und bei rund 3 Grad gings in den Schlafsack.

2. Tag

Der zweite Tag sollte gleich ein echter Hammer sein. Es ging nach Namche Bazaar, dem größten Ort in der Everest-Region und von 2.600 auf über 3.400 Meter hoch. Am Anfang dachte ich noch: „Naja, 800 Höhenmeter bekommst du hin!“ Dann habe ich aber recht schnell erkannt, dass es deutlich mehr waren. Wir gingen immer wieder Täler nach unten, überquerten dort den Fluss und gingen anschließend wieder nach oben. Am Ende des Tages stand nicht nur die Überquerung der Hillary-Bridge, eine der höchsten Hängebrücken der Welt, sondern auch 12 Kilometer mit insgesamt knapp über 1.000 Höhenmetern.

3. Tag
Am folgenden Tag stand dann der erste Akklimatisierungstag auf dem Programm. Um den Körper an die Höhe zu gewöhnen geht man hier ein gutes Stück nach oben, verweilt hier kurz, um dann wieder runter zu gehen und in niedriger Höhe zu schlafen. An diesem Tag und nach 620 Höhenmetern stand für mich ein erstes echtes Highlight an, denn ich sah den Mount Everest zum ersten Mal. Zugegeben, es war nur ein kleines Stück des Gipfels, aber da war er. So viele Jahre lang hatte ich geträumt, diesen Berg zu sehen und jetzt war es soweit. Ich hatte Gänsehaut und war in dem Fall wirklich froh, aber auch schon etwas stolz. Aber wie mein Guide so gerne sagte: „Da gibt es noch viel, was wir schaffen müssen, bevor wir dort sind!“

4. Tag
Es kam der nächste Hammer, denn es ging von Namche Bazaar nach Pangboche. Dieses Mal waren es 15 Kilometer, sieben Stunden und 1.300 Höhenmeter – eine echte Qual, vor allem weil die Luft mit jedem Meter dünner wurde. Zum ersten Mal stand ich auf über 4.000 Meter, ein wirklich tolles Gefühl! Am Abend fiel ich wirklich schlagfertig ins Bett und auch die Temperaturen von mittlerweile -3 Grad konnten mich nicht vom Schlafen abhalten.

5. Tag
Akklimatisierung – ab geht’s zum Base Camp des Ama Dablam! Dieser 6.814 Meter hohe Berg ist aufgrund seiner Form sehr beliebt und bekannt und wird auch das Matterhorn des Himalaya genannt. Zum ersten Mal ging es – unter wirklich tiefem atmen auf über 4.500 Meter und ich war wirklich fertig. Die Luft ist dünner als jedes Papier und man atmet ungefähr dreimal so viel wie normal.

6. Tag
Ganz nach Oliver Kahn ging es „weiter, immer weiter“. Dieses Mal nach Pheriche, wo nicht nur unsere Lodge war, sondern auch eines der höchsten Krankenhäuser der Welt. Der Weg an diesem Tag war kurz, nur vier Stunden und so hatte ich am Nachmittag Zeit zum Entspannen – tat echt gut!

7. Tag
Vor diesem Tag hatte ich lange Respekt, denn es ging nach Lobuche. Nicht nur, dass dieser Tag mit über 800 Höhenmetern in dieser Höhe ein echtes Brett war, auch galt der Ort als der mit Abstand „unschönste“ auf der gesamten Reise. Das wurde leider vollkommen erfüllt, denn als ich nach 5,5 Stunden in der Lodge ankam, fand ich ein kleines Zimmer ohne Strom vor, das Bett war mehr oder weniger ein Brett und es war schon tagsüber bitterkalt. In der Nacht ging es dann unter -10 Grad und ich war froh, dass ich mich vor der Reise doch für den wärmeren und schwereren Schlafsack entschieden habe.

8. Tag
Der große Tag war gekommen. Es sollte nach Gorak Shep, die letzte bewohnte Ortschaft vor dem Everest gehen, und anschließend ans Base Camp. Die dünne Luft setzte mir mittlerweile ordentlich zu und so ging es langsam aber stetig in Richtung meines großen Traums. Nach 4,5 Stunden erreichten wir den Ort, ich gab den großen Rucksack im Hotel ab, aß eine Nudelsuppe wie in Trance und wollte endlich weiter. Über mehrere kleinere Täler und entlang am Khumbu-Gletscher ging es in Richtung Base Camp. Es war immer wieder zu sehen und meine Aufregung wuchs und wuchs. Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass Nichts und Niemand auf dieser Welt mich würde aufhalten können. Es ging auf den Gletscher und dann, um genau 13:48 war es geschafft: Ich stand im Base Camp des Mount Everest! Das Gefühl, das mich durchströmte, kann ich nicht beschreiben. Ich war stolz, glücklich und sentimental gleichzeitig, dachte an jeden und jede, die mich auf dem Weg begleitete! Und gleichzeitig gab es einen lustigen Moment, denn ich war wohl der erste Mensch, der im Base Camp seine SIM-Karte wechselte! Genau um 13 Uhr war die Karte, die ich in Nepal nämlich gekauft hatte, abgelaufen. Natürlich wollte ich vor allem zuhause direkt Bescheid geben, also wechselte ich die Karte und konnte so meiner Frau sogar ein Bild schicken! Nach vielen Eindrücken, Erinnerungsfotos ging es dann zurück – die Steigung war komplett egal, die Luft auch, ich flog mehr oder weniger (und soweit das mit meiner Statur möglich ist) über die Steine und Wege. Everest Base Camp, 5.364 Meter – i did it!

9. Tag
Ab jetzt ging es ordentlich bergab, zumindest in Summe, denn wir machten jetzt Meter, um wieder zurück zu kommen. Am Morgen machte sich die Höhe mit fetten Kopfschmerzen bemerkbar und der Gang zum Kala Patthar, einem Aussichtsberg und mit 5.675 Metern zugleich dem höchsten Punkt meiner Reise, war wirklich eine Qual. Oben angekommen war es so schweinekalt, dass wir sofort nach unten gingen, die Trinkflasche war zugefroren, keine Handykamera funktionierte. Belohnt wurde wir aber mit dem schönsten Blick auf den Everest, den ich mir nur vorstellen kann. Es ging bis auf 3.900 Meter runter, nach 19 Kilometern kamen wir wieder in Pangboche an. Jetzt hieß es: regenerieren, denn es geht so weiter!

10. Tag
Es ging nach Namche Bazaar, 15 Kilometer, insgesamt wieder über 1.500 Höhenmeter bergauf und bergab! Ganz ehrlich: ja, es war weit, aber es war mir egal. Ich hatte mir in den letzten Tagen absolute Lebensträume erfüllt. Von mir aus wäre ich auch noch 15 Kilometer gelaufen.

11. Tag
Der letzte Tag war noch einmal hart, aber schön. Es ging nach Lukla, wo nach 19 Kilometern ein echtes letztes Highlight wartete, denn ich hatte mir am Ende der Reise noch einmal einen 30-minütigen Helikopterrundflug gebucht. Hier konnte ich große Teile des Weges, den ich in den letzten zehn Tagen gegangen war, noch einmal sehen. Ich war stolz, glücklich und froh zugleich.

12. Tag
Es ging zurück von Lukla in Richtung Kathmandu. Der Flug war – wie erwartet – extrem unruhig, das kleine Flugzeug ist nach einem der krassesten Starts, den ich je erlebt habe, aber letztendlich sicher gelandet. Puh, geschafft!

Am Ende des Trips und der Reise bleiben mir unendlich viele Erinnerungen. Viele Erinnerungen an tolle Menschen vor Ort, die Gewissheit, dass ich tolle Menschen zuhause habe, die mich in jeder Lebenslage unterstützen. Unglaublich viele Eindrücke von der Landschaft, die so toll ist, dass sie meine hohen Erwartungen locker übertraf. Und der Stolz meinerseits, dass ich mir einen meiner größten Träume, den ich habe, seit ich ein kleines Kind bin, erfüllt habe. Ich möchte keinen einzelnen Höhenmeter, keinen Stein im Schuh, keine Blase an den Füßen und keine Wehwehchen missen. Falls jemand sich überlegt, auch ins Himalaya zu reisen, kann ich nur sagen: Leute, macht es. Ihr werdet nicht enttäuscht werden. Erfüllt euch eure Träume!

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