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"Unsere Mutter treibt uns in den Ruin

23.07.2023, 06:30 Uhr in PrimaSonntag
KW29 Hank 2

WEIBERSBRUNN (mz).Es ist ein nicht endender Albtraum, der für die beiden Schwestern Natalie und Verena*aus Weibsersbunn mittlerweile auch die eigene Existenz bedroht. Ihre Mutter kauft seit Jahren online ein, gerne auch luxuriös und teuer. Egal ob Waren oder Dienstleistungen - alles tätigt sie auf den Namen ihrer Kinder. Diese haben mittlerweile ganze Aktenordner voller Rechnungen und Zwangsvollstreckungsbescheide zuhause - der Kaufrausch der Mutter summiert sich mittlerweile auf eine sechsstellige Summe. Doch eine Lösung ist nicht in Sicht - Jugendamt und Polizei können nichts tun.

„Wann hört dieser Albtraum endlich auf?“ Diese Fragen stellen sich die beiden Geschwister aus Weibersbrunn. Seit Kindesalter an leiden die beiden jungen Frauen schon unter dem Kaufrausch ihrer Mutter. Doch nicht nur Luxus-Schuhe oder kleine Erledigungen werden auf die Kinder abgewälzt, auch Strom- und Handyverträge gehen auf den Namen der Geschwister in Weibersbrunn. „Es ist einfach kein normales Leben mehr möglich“, erzählt Natalie. „Die Summe hat sich mittlerweile auf einen sechsstelligen Betrag aufsummiert. Unsere Mutter treibt uns in den Ruin.“ Der Kontakt zur Mutter ist mittlerweile komplett abgebrochen, das Einzige, was sie von ihr bekommen, sind Rechnungen.

KW29 Hank 3
Unter den vielen Briefen ist sogar auch ein Haftbefehl dabei

„Irgendwann war auch
ein Haftbefehl dabei“
Das Familiendrama beginnt für die beiden schon im Jugendalter. „Mit 14 Jahren haben wir Briefe im Keller gefunden, da war unser Name drauf. Unsere Mutter hat uns dabei gesehen und gemeint, dass es uns nichts anginge.“ Was tatsächlich in dieser Zeit passiert, wird beiden erst Jahre später klar. „Sie hat über meinen Namen ein Containerunternehmen bestellt - da waren wir noch minderjährig.“ Im Erwachsenenalter offenbarte sich für beide dann das unglaubliche Ausmaß der mütterlichen Kauflust. „Mit der ersten Wohnung kamen dann immer mehr Briefe, teils auch mit vierstelligen Beträgen. Irgendwann war dann auch ein Haftbefehl dabei.“ Ein Schock für die junge Weibersbrunnerin. „Der Gerichtsvollzieher will natürlich sein Geld haben, der glaubt mir natürlich die Geschichte mit meiner Mutter nicht.“ Verena* bleibt nichts anderes übrig, als das Geld aus eigener Tasche zu zahlen – und das nicht nur einmal. „Eine eigene Wohnung zu bekommen, war ein riesiges Problem. Mein Schufa-Score ist so nach unten gesackt, da ist nichts mehr machbar.“

Designer-Klamotten über
Arbeitgeber bestellt
Ein Ausweg aus der Misere ist nicht in Sicht - im Gegenteil. Ihre Mutter wird immer dreister. „Während meines Aushilfsjobs in den Ferien hat mich mein Chef damals zum Gespräch gebeten. Meine Mutter hatte über mich bzw. meinen Arbeitgeber Designer-Klamotten bestellt. Erklären Sie mal Ihrem Chef, dass das die eigene Mutter war.“ Und so musste Natalie* die 800 Euro selbst abarbeiten. Die Geschwister wenden sich an Jugendamt und Polizei - doch ohne Folgen. „Anzeigen wurden schlussendlich wegen mangelnder Beweise abgelehnt. Es fühlt sich niemand zuständig, etwas zu tun.“ Auf Nachfrage verteidigt sich das Jugendamt. „Eine Rechtsberatung bei strafrechtlichen Angelegenheiten gehört nicht zu den regelhaften Aufgaben des Jugendamtes. Wenn in Einzelfällen eine Kindeswohlgefährdung entstanden ist, können aber solche Themen relevant sein, aber nur bei Minderjährigen“, so Sprecherin Mailin Seidel. Und so sind beide den Machenschaften der eigenen Mutter hilflos ausgesetzt. „Die Schulden werden einfach immer mehr, wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen.“

„Hasst das Leben uns?“
Warum eine Mutter das Leben ihrer eigenen Kinder so zerstört - diese Frage stellen sich die Schwestern oft. „Wir haben keine Erklärung. Wenn sie wüsste, was sie uns antut, sie würde daran wahrscheinlich zugrunde gehen.“ Seit Jahren haben die Geschwister keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter, was sie aber wissen, ist, dass auch andere in der Familie ihr Schicksal teilen. „Auch bei unserer Großtante sind Rechnungen reingeflattert, genau wie bei unserem Stiefvater. Die Beziehung ist daran kaputtgegangen. Auch unser elf und sechzehnjährigen Geschwister sind betroffen.“ Immer wieder kam ihre Mutter mit der Masche durch, obwohl sie schon seit Jahren ihre Familie terrorisiert. „Sie ist sich einfach keiner Schuld bewusst.“ Wie es jetzt weitergehen soll, ist völlig unklar. „Wenn ich mir die ganze Situation vor Augen führe, stellt sich mir die Frage: Hasst das Leben uns?“

*Namen von der Redaktion geändert

KW29 Hank 2
Natalie* und Verena* wissen nicht mehr weiter